Die Suenden der Vergangenheit
Verständnis zu zeigen, das in diesem Fall als einen Anfall von wahnsinnsgesteuerter Großzügigkeit wahrgenommen werden würde. Rys war eben nicht Nico. Ihre Nachsicht und ihr Verständnis waren beinahe heilige Gaben. Egal, was Theron in seiner Pflicht auch gesagt haben mochte, ganz im Vertrauen und unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit, hätte sich Theron zu seinem eigenen Wohl zumindest seinem Bruder mitteilen sollen.
Nun war allerdings zu verstehen, warum er zu gewissen Zeiten wenig Gefühl oder Einfühlungsvermögen zeigte. Es war ihm an entscheidender Stelle untersagt worden und das erstickte alle zukünftigen Anfälle einer solchen Schwäche im Keim. Je schneller Theron lernte, wieder welche zu entwickeln, desto besser für sein Seelenheil. Etwas Abstand zu seinen Aufgaben würde ihm gut tun. Doch einen Krieger konnte man nicht wie jeden beliebigen Angestellten in den Urlaub schicken. Zur Ablenkung und Erholung hatte man für gewöhnlich Frau und Familie. Theron hatte weder das eine noch das andere und er war laut letztem Stand angeblich erleichtert darüber.
Nathan glaubte allerdings zu wissen, dass das ebenso wenig stimmte wie die Tatsache, dass es Theron nicht leid tat, wie eiskalt und berechnend er Romana gegenüber vorgegangen war. Leider hatte keine Flamme seiner Affären heißer als ein paar Monate gebrannt. Wie bei jedem von ihnen bis zu dem Tag, an dem man die einzig Wahre, die Soulmate, traf.
Just in diesem Moment, als wüsste sie, wohin seine Gedanken gingen, legte Cat einen Arm um seine Taille. Nathan sah mit liebevollem Blick auf sie herab und war beinahe versucht, ihr einen Kuss auf den Scheitel zu geben. Er ließ es allerdings bleiben, da dies für einen tragischen Moment wie diesen zu intim und unpassend erschien. Stattdessen legte er ebenfalls einen Arm um sie und drückte sie fest an sich. Auch sie fühlte sich schuldig, obwohl die Geschehnisse von damals nicht in ihrer Hand gelegen hatten. Ein Kind hätte niemals das Unglück verhindern können, das sich abgespielt hatte. Genauso wenig wie Romy oder ihre Schwester bewirken konnten, dass ihre Mutter sich für ihren Vater entschied. Es hatte eben nicht sollen sein. Leider verursachte es immer noch Unglück und Schmerzen.
Auch Rys zog seine Freundin eng an sich, nachdem sie fassungslos und vollkommen erschüttert Therons erneuter Schilderung der Nacht von damals gelauscht hatte und sich außer Stande sah, etwas zu äußern. Jetzt war mehr ans Licht gekommen, als sie wahrscheinlich gewollt hatte. Zu wissen, dass ihr Vater durch den Tod der Mutter und dem vermeintlichen Ableben der Kinder ebenfalls in den Selbstmord getrieben worden war, war nun mehr als sie verkraften konnte.
Rys wandte sich mit ihr im Arm von Theron und Nicos Anblick ab und warf seinem Bruder nur noch einen eisigen Blick über die Schulter zu. Nico als seine Verteidigerin durfte er nicht so ansehen. Sie konnte nichts für die Gesamtsituation und war schon durch die gesehenen Bilder mehr als gestraft.
„Niemand macht hier irgendwem einen Vorwurf!“, stellte er klar, meinte jedoch selbstredend das absolute Gegenteil. Wenn Theron nur ein Wort gesagt hätte. Nur ein Wort zu irgendwem, dann hätte man die Katastrophe vielleicht verhindern können.
Gut, vielleicht machte einen Toten nicht wieder lebendig und es hätte trotzdem soweit kommen können, indem sich Malakai dann doch selbst das Leben nahm, aber so hatte sich Theron einfach zu viel herausgenommen. Selbst wenn er das Beste gewollt hatte, so war doch nur das Gegenteil erreicht worden.
Rys würde eine Weile brauchen, bis er seinem Bruder diese Geheimniskrämerei verzieh. Romy würde vielleicht schneller nachgeben und für Chryses gab es auch nichts mehr, was er sich für ihren Seelenfrieden wünschen konnte, aber er selbst musste darüber nachdenken. Wie sollte er seinem Bruder gegenüber treten und zwar nur seinem Bruder, die Stellung und seine Position als Krieger einmal außen vorgelassen, wenn er stets das Gefühl haben musste, bewusst angelogen zu werden? Er erwartete ja nicht, dass Theron ihm sein Herz ausschüttete, aber so eine Sache allein durchzustehen, genauer gesagt durchstehen zu wollen, war doch selbst für ihn zu viel.
„Nico?!“
Damon erschien im Türrahmen. Immer noch blass und leicht schwankend ob der eben gegebenen Blutspende. In Chryses Bett konnte er sich nicht entspannen. Nach der Nacht auf der Jagd und Nicos Tränkung musste er aber unbedingt schlafen. Also war er, sobald der Schwindel
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