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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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oder weil ich ihn an den Tod von Monsieur d’Aigse und Jean Luc erinnerte. Vielleicht gab er Laura die Schuld daran, dass wir überhaupt nach Frankreich gefahren waren. Was immer seine Gründe sein mochten, mein Leben ging auch ohne ihn weiter.
    Obwohl der Sommer ein so schreckliches Ende genommen hatte, kehrte ich als völlig neuer Mensch zurück. Mein Schwulsein auszuleben war eine Offenbarung; nun gab es kein Zurück mehr. Natürlich war meine Mutter schockiert, als ihr zu Ohren kam, in welcher Gesellschaft ich neuerdings verkehrte. Sie drohte, es meinem Vater zu sagen, den Priester unserer Gemeinde anzurufen – doch zu spät. Meine Zeit in Frankreich war sehr befreiend gewesen und hatte mir ganz neues Selbstvertrauen gegeben. Das Feuer und seine Folgen hatten mir klargemacht, dass das Leben viel zu kurz war, um mein wahres Selbst zu verleugnen. Ich fühlte mich wohl in meiner Haut, fast wie neugeboren. Religion und Gesetz zum Trotz war ich entschlossen, mich dessen nicht zu schämen.
    Meine Mutter mühte sich nach Kräften, die Sache wieder unter den Teppich zu kehren, aber sie mühte sich vergebens. Schließlich sagte sie es doch meinem Vater. Er war entsetzt, drohte mich zu verstoßen und zu enterben, und deutete an, Laura habe nur aus Scham über mich nicht nach Hause kommen wollen. Das tat weh. Ich bat um Verständnis. So bin ich nun mal, so werde ich immer sein und so weiter und so fort. Vergebliche Liebesmüh. Vater sprach von der Schande, die ich über die Familie bringen würde, und dass es auch für ihn persönlich eine Schmach sei. Das war nie meine Absicht gewesen, und es tat mir aufrichtig leid. Ich versprach ihm, diskret zu sein, aber allein die Vorstellung war ihm zuwider. Er empörte sich endlos darüber, dass er sein Leben lang hart gearbeitet habe, nur um dann feststellen zu müssen, dass er eine Schwuchtel großgezogen hatte.
    Im Nachhinein muss ich wahrscheinlich dankbar sein, dass mein Vater kein gewalttätiger Mensch war. Manche Väter reagierten noch ganz anders. Weil Dad so maßlos enttäuscht war und sich die Sache so zu Herzen nahm, habe ich mich bisweilen gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, meine »Zuchtlosigkeit« vor meiner Familie zu verbergen. Doch spätere Ereignisse sollten mein Coming-out bald in den Hintergrund rücken lassen und uns als Familie wieder näher zusammenbringen – oder das, was von uns geblieben war.
    Im November 1973 wurde Pater Ignatius einbestellt. Ich erfuhr erst davon, als er tatsächlich bei uns vor der Tür stand, aber bereits eine Woche vorher bemerkte ich eine verdächtige Zunahme an häuslichen Aktivitäten. Es wurde geputzt und gewienert, Staub gewischt und Staub gesaugt, das Silber wurde poliert und das »gute« Geschirr tauchte mitsamt Leinentischtüchern aus dem Nirgendwo auf, in das es jedes Jahr nach Weihnachten verschwand. Am Samstagmorgen wurde ich schließlich in das selten genutzte vordere Zimmer gebeten, Pater Ignatius vorgestellt und mit ihm allein gelassen. Ich war wütend, so ausgetrickst worden zu sein, und wusste nicht, was mich erwartete. Pater Ignatius war Anfang dreißig, relativ neu in der Gemeinde und nicht der Typ, der Hölle und Verdammnis predigte; er schlug leisere Töne an. Ich spürte förmlich, wie unangenehm ihm die Situation war. Genauso unangenehm wie mir wahrscheinlich. Nach den ersten verdrucksten Höflichkeitsfloskeln senkte sich bedeutungsschwangeres Schweigen über uns, das nur darauf zu warten schien, all das Ungesagte hinaus in die Welt zu schleudern. Um die Geburtswehen etwas zu verkürzen, entschuldigte ich mich schließlich dafür, dass er meinetwegen hatte herkommen müssen.
    »Vermutlich haben meine Eltern Sie hergebeten, weil ich homosexuell zu sein glaube«, sagte ich und fügte in einem Anfall von Übermut hinzu: »Genau genommen glaube ich es nicht nur.«
    Es folgte erneutes Schweigen, währenddessen Pater Ignatius sich umständlich räusperte und in seinem Sessel zurechtsetzte. Das Sesselleder machte ein grotesk lautes Furzgeräusch, woraufhin er sich noch einmal lautstark zurechtsetzte, um klarzustellen, dass nicht er es gewesen war, sondern der Sessel. Seit diesem Tag mache ich nach Möglichkeit einen großen Bogen um jede Art von lederbezogenem Mobiliar.
    »Du weißt, dass es eine Sünde ist.«
    »Das weiß ich, Pater.«
    »Wirst du schwören, es fortan nie wieder zu tun?«
    »Aber Pater, Sie scheinen nicht zu verstehen. Es geht nicht nur um es , nicht um den Akt als solchen. Vielmehr geht es

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