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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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sein. Er ist Zahnarzt. Das heißt, er verdient gut. Dafür bringt er sein halbes Leben damit zu, in kleine, dunkle Höhlen zu schauen, in denen Fäulnis und Zerfall lauern. So etwas interessiert ihn. Das und Gartenarbeit. Seit ein paar Jahren setzen Zahnärzte ja verstärkt auf Ästhetik, also kosmetische Zahnbehandlungen, Botox, Faltenunterspritzungen und so weiter. Glauben Sie, ich hätte Con dazu bewegen können, so was auch anzubieten? Nein, er doch nicht. Wie gesagt, null Fantasie, der Gute. Dabei hätte ich mir dadurch ein Vermögen sparen können.
    Ich sollte hier nicht über ihn herziehen. Das ist nicht fair. Con ist kein schlechter Mann. Für mich ist er ein bisschen wie ein ungeliebtes Haustier. Eigentlich würde man es am liebsten vor die Tür setzen, will ihm aber auch nicht wehtun oder dass ihm etwas passiert. Und Ironie des Schicksals, ich glaube, er liebt mich wirklich. So müssen wir alle unser Kreuz tragen. Oliver war einfach in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil, aber eben tabu. Was natürlich seinen besonderen Reiz ausgemacht hat. Alles war so aufregend mit ihm. Ich wusste, dass er mich bewunderte. Wie oft habe ich ihn dabei erwischt, wie er mich vom Fenster seines Arbeitszimmers aus beobachtete. Keine Frage, bei ihm hätte ich leichtes Spiel, das war mir sofort klar. Manchmal weiß man so was einfach.
    Mitte der Neunziger hat man Olivers erstes Buch Der Prinz von Solarand in einer Musicalfassung auf die Bühne gebracht; ich spielte die Rolle der Königin. Manchmal ist Oliver bei den Proben aufgetaucht, um zu schauen, wie wir vorankamen, oder um Änderungen am Text zu besprechen. Das Libretto hatte nicht er geschrieben, sondern Graham Finlay, ein anderer Autor. Oliver war dafür viel zu beschäftigt. Ich weiß noch, wie begeistert Graham war, dass die Zusammenarbeit mit Oliver so unkompliziert über die Bühne ging. Die meisten Schriftsteller sind wohl eher heikel, was Änderungen an ihrem Text angeht, aber Oliver war mit allem einverstanden. Selbst wenn Graham ihm ganze Handlungsstränge oder Figuren umgeschrieben hat, gab es von seiner Seite nie Probleme.
    Nach der ersten öffentlichen Probe hat Oliver uns alle zum Lunch ins L’Étoile Bleue eingeladen, einem Szenetreff unter Theaterleuten. Der Laden gehört Michael und Dermot, die beiden sind so was wie Irlands schwules Vorzeigepärchen. Sehr spendabel von ihm. Da wir uns ja bereits ganz gut kannten, fiel es mir nicht allzu schwer, Oliver während des Essens in Beschlag zu nehmen. Und dass er mich nach Hause fahren würde, lag natürlich nahe. Schließlich waren wir Nachbarn. Ein paar Glas Wein zum Mittag, und schon waren sie dahin, meine guten Vorsätze. Kurz bevor wir in die Avenue eingebogen sind, habe ich Oliver gesagt, wie attraktiv ich ihn fände. Gewagt, ich weiß. Eigentlich sollte ich ja Alices Freundin sein, und Oliver hatte mir nie wirklich zu verstehen gegeben, dass er irgendetwas für mich empfand. Umso größer meine Genugtuung, als er ganz beiläufig seine Hand auf meinen Schenkel gelegt hat.
    »Wie wär’s mit einer kleinen Rundfahrt?«
    Natürlich wusste ich genau, was er meinte. Die nächsten zwanzig Jahre haben wir noch so einige »Rundfahrten« gemacht. Am Anfang war alles ganz furchtbar aufregend. Es war meine erste Affäre. Oder vielmehr die erste, die wirklich zählte. Es hatte mich ziemlich schwer erwischt; ich konnte endlos über Oliver und mich fantasieren und mir in den schönsten Farben ausmalen, wie das erstmal werden würde, wenn wir richtig zusammenlebten.
    1996 sollte Der Prinz von Solarand nach erfolgreichen Spielzeiten in Dublin und London an den Broadway gehen, und Oliver würde dem Ensemble in den ersten Wochen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das ist meine Chance, habe ich gedacht. Geplant war eine Spielzeit von einem halben Jahr, bei Erfolg stand eine Verlängerung in Aussicht. Ich sah es schon vor mir: Ich würde Filmangebote bekommen, Oliver und ich würden unsere jeweiligen Ehepartner verlassen, nach L.A. ziehen und ein Hollywood-Traumpaar werden. So wie Arthur Miller und Marilyn Monroe (wenn die beiden ein Happy End gehabt hätten).
    Oliver wurde von seinem amerikanischen Verleger im New York Plaza einquartiert. Die Leute waren ganz scharf auf die Filmrechte, weshalb sie ihm und seinem Agenten mächtig um den Bart gegangen sind. Ich und der Rest des Ensembles waren in ziemlich abgeranzten Appartements im East Village untergebracht. Con wollte mich natürlich besuchen kommen, wir waren noch nie in New

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