Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
die Öffentlichkeit gelangte. Man gab die übliche Erklärung heraus: Wegen wiederkehrender Stimmbandprobleme hätte ich meine Rolle »mit Bedauern abgegeben« und wünsche Shelley Radner (23), vormals eine der Chorsängerinnen, »allen erdenklichen Erfolg bei ihrem Broadway-Debüt«.
Aisling und die irischen Produzenten versuchten sich zu entschuldigen und schoben anderen die Schuld zu. Sie könnten ja auch nichts dafür. Im Showbiz gehe es letztlich doch nur ums Geschäft. Tug wollte mich einfach loswerden, und er hat eben die Kohle und das Sagen. Jede Wette, dass er mit Shelley was laufen hatte.
Ich ging zurück in mein Appartement und trank sämtliche Duty-Free-Vorräte aus. Dann rief ich Oliver im Plaza an, aber er war nicht da. Ich versuchte es sogar noch mal bei Con in Dublin, aber da war auch keiner zu erreichen. Dann muss ich weggekippt sein und bin erst wieder um zehn Uhr abends aufgewacht, mit rasenden Kopfschmerzen und mörderischen Rachegelüsten.
Ich machte mich noch mal auf den Weg zum Theater. Die Vorstellung war gerade vorbei, und die Zuschauer strömten hinaus auf die Straße, vorbei an den eilig überpinselten Plakaten, auf denen jetzt Shelley (23) strahlte. Die Leute lächelten, manche summten noch die letzten Takte des Stücks vor sich hin. Es würde ein Riesenerfolg werden. Die Musiker standen vor dem Bühneneingang und rauchten; ich zögerte einen Moment, wahrscheinlich amüsierten sich jetzt alle auf meine Kosten und zerrissen sich das Maul über mich. Genau in diesem Augenblick ging die Tür zum Bühneneingang auf, und heraus kam Shelley, in Begleitung von Oliver. Er hatte seinen Arm in einer vertraulichen Geste um ihre Schultern gelegt und zog sie an sich, als sie ihr Gesicht an seinen Hals schmiegte. Gerade wollte ich auf die beiden losgehen, da hatmir jemand auf die Schulter geklopft. Ich fuhr herum, und vor mir stand ein vom Jetlag recht mitgenommener Con. Er lächelte unsicher und hielt mir einen Strauß rote Rosen hin.
»Überraschung!«, rief er.
Und ich? Ich habe mich ausgekotzt. Wortwörtlich.
Con und ich sind am nächsten Tag abgereist. Er war furchtbar nett auf seine nervtötende Art, hat mir versichert, dass der Broadway ohnehin überschätzt werde, dass es jemand wie Tug nur um Geld und nicht um Kunst gehe, dass solche Leute echte Talente eben einfach nicht schätzen könnten.
»Wozu brauchst du denn New York? Wir haben doch uns und Gerry und Kate und den Garten.«
Ein paar Tage bin ich auf Tauchstation gegangen, zu groß war der Schock über den doppelten Verrat. Mein Beruf und mein Liebhaber. Ja, ja, schon klar, ich habe Con betrogen, und Oliver hat Alice betrogen, aber unser Betrug war in seiner Ausschließlichkeit kein Betrug im eigentlichen Sinne. Schließlich haben Oliver und ich einander etwas bedeutet . Hatte ich jedenfalls gedacht. Alice kam ein paar Mal rüber, brachte vorgekochtes Essen vorbei – als wäre jemand gestorben. Eigentlich ganz passend. Meine Karriere war wohl hinüber, und Oliver würde ich umbringen, wenn ich ihn das nächste Mal sah.
Ich könnte noch immer schreien, wenn ich daran denke, dass Shelley sogar in der Filmadaption die Königin gespielt hat. Als Einzige des Broadway-Ensembles durfte sie ihre Rolle auch in der Kinoversion behalten. Schlimmer noch: Sie ist sogar für einen verdammten Oscar nominiert worden! Aber den hat dann doch wieder Meryl abgesahnt. Danke, Meryl.
Oliver ist drei Wochen nach mir nach Hause gekommen. Alice hat ihn freudig vom Flughafen abgeholt, und ich habe ihn beobachtet, wie er aus dem Wagen gestiegen und die Treppe zum Haus hinaufgegangen ist. Ganz locker und entspannt, als hätte er keine Sorgen auf der Welt. Drei Tage habe ich gewartet, dass er mal anruft oder vorbeikommt. Um seine Gunst betteln würde ich ganz bestimmt nicht.
Am vierten Tag habe ich es nicht länger ausgehalten. Con war in der Praxis, und Alice hatte ich gerade wegfahren sehen, wobei sie wie immer fast den Torpfosten mitgenommen hätte. Gut, Oliver war also allein zu Haus.
Für den großen Showdown wollte ich mich von meiner besten Seite zeigen. Ich peelte, zupfte und cremte, was das Zeug hielt, warf mich in meinen verführerischsten Fummel – und fertig!
Oliver stieß einen anerkennenden Pfiff aus, als er mir die Tür aufmachte.
»Moya, Darling, wie geht es dir? Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mich bei dir zu melden.«
»Shelley?«, platzte es sofort aus mir heraus. »Du hast mit Shelley gevögelt?«
Oliver verzog das Gesicht.
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