Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
herrlich trockenen Humor, sieht blendend aus und kann Kellner und Türsteher um den kleinen Finger wickeln. Wahrscheinlich halten die ihn für jemanden richtig Berühmten. Oliver strahlt auch wirklich eine Autorität aus, die man bei irischen Männern meist vergeblich sucht. Selbstvertrauen. Souveränität.
New York brummte vor Leben, überall waren Menschen. Alles wäre natürlich viel romantischer gewesen, wenn Oliver auch mal meine Hand gehalten hätte, aber das war nie so sein Ding, Leute anfassen. Berührungen gab es nur hinter verschlossener Schlafzimmertür. An unseren freien Nachmittagen versuchte ich mehr über ihn zu erfahren, stellte ihm Fragen über seine Kindheit und seine Familie, aber er hat dann immer gleich das Thema gewechselt oder so getan, als hätte er mich gar nicht gehört. Da konnte sich einem schon der Eindruck aufdrängen, dass er nicht gern über seine Vergangenheit sprach. Dafür hat er viel von Alice gesprochen, und mein Gott, ging mir das auf die Nerven. Andauernd musste ich mir anhören, wie verdammt talentiert sie wäre, wie toll ihre Illustrationen, wie viel Mühe sie sich gebe, ihm zuliebe ihre Kochkünste zu verbessern, dass sie Respekt vor ihm habe und vor jeder größeren Anschaffung stets seinen Rat einhole. Fast schon pervers, wie er Alice in den höchsten Tönen loben und gleichzeitig mich leidenschaftlich küssen konnte. Nie zuvor bin ich jemandem begegnet, der die verschiedenen Bereiche seines Lebens so kalt und klar voneinander trennen konnte. Aber eben verdammt attraktiv, der Mann. Weshalb ich mir auch jede spitze Bemerkung verkniffen, ihn mit den Beinen an mich gezogen und ihm kräftig beigepflichtet habe, was für ein wunderbarer kleiner Schatz Alice doch sei.
Bei der Arbeit gab es derweil mächtig Ärger. Nach der ersten Voraufführung wurden sämtliche meiner Szenen im ersten Akt gestrichen. Nein, nicht ganz – eine durfte ich behalten. Dafür ging dann aber mein großes Solo nach der Pause flöten. Marcus, der Grimmbart spielte, bekam dazu ein ganz neues Lied auf den Leib geschrieben, und statt mit meinem großen Auftritt samt Chor sollte der erste Akt nun mit dem Fliegenden-Stuhl-Stunt enden. Ich habe mich aufgeregt, aber so richtig. Die Amerikaner zahlten für den Spaß und konnten scheinbar machen, was sie wollten; die irischen Produzenten gingen mir aus dem Weg und standen für ein Gespräch nicht zur Verfügung. Nach meinem zehnten Anruf ließ sich sogar mein Agent in Irland verleugnen! Oliver war für ein paar Meetings nach L.A. geflogen und würde erst zur Premiere wieder zurück sein. Und die anderen Schauspieler gingen, nachdem ich bei Tug endgültig in Ungnade gefallen war, auf Abstand. Unbeliebtheit kann ja bekanntlich ansteckend sein. Plötzlich stand ich ziemlich allein da. Eines Abends, ich hatte schon ein paar Gin intus, habe ich sogar Con angerufen und ihm vorgeheult, wie ungerecht und gemein alles wäre.
Am Tag der Premiere wurde ich um acht Uhr morgens ins Theater bestellt. Lächerlich, habe ich noch gedacht, einen Darsteller so früh aus dem Bett zu holen. Als ich dann feststellte, dass alle anderen erst um elf kommen würden, schwante mir Schlimmes. Und tatsächlich: Kaum im Theater, wurde ich ins Konferenzzimmer gebeten, wo in trauter Runde die Produzenten beisammensaßen. Und Tug mittendrin, der kleine Klugscheißer.
»Wir haben beschlossen, die Rolle der Königin neu zu besetzen«, hat er gesagt.
»Wie bitte?«, fragte ich.
Aisling saß neben ihm, kramte angelegentlich in ihren Unterlagen und schien das alles furchtbar unangenehm zu finden. Da hatte sie auch allen Grund zu.
»Ich möchte mich bei dir für deine Arbeit und deinen Einsatz bedanken, aber ich spreche für alle Anwesenden, wenn ich sage, dass wir eine Königin mit etwas mehr … «
Tug tat, als müsse er angestrengt nach Worten suchen.
»Präsenz«, bot einer der Amis an.
»… mit etwas mehr Präsenz brauchen«, griff Tug den Vorschlag begeistert auf. »Genau. Wir haben den Eindruck, dass die Rolle jemandem deines Alters … «, er sah mich an und ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen, »… zu viel abverlangt.«
Ich will gar nicht mehr wissen, was ich diesen Arschlöchern alles an den Kopf geworfen habe, mein Abgang gipfelte jedenfalls in einem »Ihr beschissenen Amateure!«.
Aisling hat versucht, nett zu sein, mich in ein Taxi verfrachtet und mir versprochen, sich um alles Weitere zu kümmern. Mein Agent konnte glücklicherweise noch verhindern, dass die Sache an
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