Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
Er mag keine vulgären Ausdrücke. Außerdem schien er etwas irritiert.
»Shelley … «, sagte er, als müsse er überlegen, um wen es gehe. »Wovon genau sprichst du?«
»Lüg mich nicht an Oliver! Ich habe euch beide aus dem Theater kommen sehen!«
»Ach das ? Das sollte Con doch nur auf die falsche Fährte locken, damit er keinen Verdacht schöpft!«
Ich war kurz verunsichert.
»Con hat mir verraten, dass er nach New York kommen und dich überraschen wolle«, fuhr Oliver fort. »Ich habe versucht, es ihm auszureden, aber er war so beharrlich, dass ich mir schon Sorgen machte, er könne uns auf die Schliche gekommen sein. Also dachte ich mir, besser ich führe ihn auf die falsche Fährte. Aber irgendwie ist alles schiefgegangen. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, ihm zu sagen, dass man dich gefeuert hatte, weil er da schon mitten über dem Atlantik war. Da Con bestimmt am Bühneneingang auf dich warten würde, habe ich mir schnell ein nettes Mädchen geschnappt, damit er denkt, ich hätte mit ihr eine Affäre. Und Shelley war eben gerade zur Hand.«
Sollte ich ihm das jetzt glauben oder nicht? Immerhin wusste ich ja, mit welcher Lässigkeit er Alice belog, aber dann nahm er meine Hand, hob sie an seine Lippen und küsste meine Fingerspitzen. Und da wurde mir klar, dass es gar nicht darauf ankam, ob das stimmte oder nicht. Ich wollte ihn nicht aufgeben, so einfach war das. Alle Anspannung fiel von mir ab.
»Oh Oliver.« Und dann küsste er mich, und wir gingen nach oben, und ja, dachte ich mir damals, vielleicht würde doch noch alles gut werden.
Wir nahmen unsere Affäre dort wieder auf, wo wir sie ein paar Wochen zuvor unterbrochen hatten, und es war sogar noch besser als früher. So sehr, dass ich mich nach ein paar Monaten zu dem Vorschlag hinreißen ließ, wir könnten doch beide unsere Partner verlassen und zusammen leben.
»Sei doch nicht blöd«, kam es von ihm.
Er stellte klar, dass er Alice niemals verlassen würde. Das wäre ihr gegenüber nicht fair, hat er gesagt. Am Anfang habe ich noch versucht, ihm verständlich zu machen, dass er mit mir viel glücklicher wäre, dass ich gut für ihn wäre und für einen Mann seines Kalibers einfach die passendere Partnerin. Aber mein ganzes Gebettel führte zu nichts, ich wurde nur mit monatelanger Funkstille bestraft, weshalb ich es schließlich sein ließ. Irgendwann kapierte ich dann, dass ich nach Olivers Regeln spielen musste, wenn ich überhaupt etwas von ihm haben wollte.
Meine Karriere kam auch langsam wieder in Fahrt. Ich landete einen Job als Moderationsassistentin für eine Unterhaltungsshow im Fernsehen; im Laufe der Jahre kamen dann noch zahlreiche Aufträge als Sprecherin für Hörspiele und Werbung dazu.
Vorhin habe ich gesagt, dass ich ja eigentlich Alices Freundin hätte sein sollen. Aber ganz ehrlich, ich konnte sie nicht ausstehen. Nicht, weil sie mir jemals irgendwas getan hätte, sondern weil sie im Weg war. Ich wollte einfach nur, dass sie verschwand.
Was sie ja jetzt in gewisser Weise getan hat. Ich bin nicht stolz darauf, so etwas zu denken.
Ich habe Alice nie im eigentlichen Sinne betrogen. Wenn Oliver bereit gewesen wäre, sie zu verlassen, ja, dann schon. Ich hätte keine Sekunde gezögert und keinen Gedanken an sie verschwendet.
Aber immerhin war Alice nützlich. Ich gebe jederzeit gern zu, dass sie mir eine unglaubliche Hilfe mit den Kindern gewesen ist. Wenn ich bis spät im Studio oder bei Theaterproben war und Con nicht rechtzeitig aus der Praxis wegkonnte, ist sie oft zu uns rübergekommen, damit jemand zu Hause war, wenn die beiden aus der Schule kamen. Oliver brauchte völlige Ruhe, um seine wunderbaren Bücher zu schreiben, weshalb die Kinder natürlich nicht zu ihnen konnten. Kinder können ja schon ziemlich stören. Im Grunde war Alice das unbezahlte Kindermädchen von Kate und Gerry. Manchmal, wenn ich abends nach Hause kam, hatte sie sogar ein dreigängiges Menü gekocht. Seit ihrer Hochzeit interessierte sich Alice wohl sehr für gutes Essen. Oliver hat mir erzählt, dass sie mit einem zurückgebliebenen Bruder aufgewachsen ist, der nur Reispudding und gekochte Kartoffeln aß. Deswegen konnte Alice scheinbar kaum Fisch von Fleisch unterscheiden und musste in der ersten Ehewoche gleich mal in eine Kochschule verfrachtet werden. Ich gestehe, dass es diese Erzählung war, die überhaupt erst mein eigenes Interesse am Kochen geweckt hat. Unglaublich, aber wahr: Ich habe mir Sorgen gemacht, ob ich mit Alice
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