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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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mithalten konnte! Denn wenn Con ausnahmsweise abends mal nicht da war und ich Oliver bei mir zu Hause empfangen konnte, wollte ich ihm kulinarisch schon gern das bieten, was er gewohnt war.
    Man sollte meinen, dass Alice und ich mehr Gemeinsamkeiten gehabt hätten. Immerhin haben wir beide denselben Mann geliebt und haben auch so ziemlich viel Zeit miteinander verbracht. Tatsächlich ging unsere »Freundschaft« auf meine Initiative zurück; es schien mir damals das Einfachste, um an Oliver ranzukommen. In gewisser Weise hatten wir viel gemeinsam. Aber Alice konnte einen wirklich wahnsinnig machen mit ihrem verträumten Getue, ihrer bedächtigen Art und ihren versponnenen Ideen. Mein Gott, was für einen Unsinn ich mir da habe anhören müssen! Mir hat immer schon gegraut vor den Nachmittagen, die ich mit ihr verbringen musste. Meistens habe ich irgendwelche Aktivitäten vorgeschlagen, damit sie beschäftigt war und nicht viel reden konnte: Kino, Shoppen, Theater.
    Jetzt fühle ich mich natürlich ganz schrecklich deswegen. Zuletzt habe ich Alice im November gesehen, in Bordeaux am Flughafen, nur ein paar Tage, bevor Oliver auf sie losgegangen ist. Irgendwie wirkte sie durcheinander. Damals dachte ich, dass es wegen Javier und mir wäre. Bestimmt werden wir im Laufe des Prozesses erfahren, was wirklich los war.
    Vielleicht hätte ich netter zu Alice sein sollen. Vielleicht hätte ich auch nicht fast zwei Jahrzehnte lang mit ihrem Mann schlafen sollen. Aber ich muss gestehen, dass ich mir insgeheim wünsche, sie hätten sich meinetwegen gestritten. Ich wüsste wirklich gern, ob er mich jemals geliebt hat. Oder sie.

XIV
    OLIVER
    Früher, viel früher, noch vor jenem Sommer in Frankreich, habe ich alles daran gegeben, ein guter Mensch zu sein. Mein halbes Leben habe ich damit zugebracht, einen Mann beeindrucken zu wollen, der sich mehr oder minder weigerte, meine Existenz überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. In meiner Geburtsurkunde wird als Mutter »Mary Murphy (Mädchenname)« genannt. Ein wahrer Allerweltsname, der damals in der weiblichen Bevölkerung Dublins recht weit verbreitet war. Private Recherchen führten mich nicht weiter, und ich kann nur vermuten, dass es sich nicht um ihren richtigen Namen handelte. Meine Eltern waren nicht verheiratet. Mein Vater wurde als Francis Ryan aufgeführt. Unter »Rang oder Beruf« stand »Priester«. 1953 muss das ein Skandal gewesen sein. Zumindest wäre es einer gewesen, hätte man nicht so weit als möglich den Mantel des Schweigens über mich gebreitet.
    Laut Geburtsurkunde kam ich in Dublin zur Welt; allerdings tauche ich in keinem Geburtenregister der Stadt auf, weswegen ich nicht einmal sicher sein kann, dass mein Geburtsdatum korrekt ist. An besagtem Datum brachten gleich zwei Mary Murphys in Dublin ein Kind zur Welt. Ich habe keine Mühen und Kosten gescheut, die beiden samt ihrer Nachkommenschaft ausfindig zu machen und jegliche Verwandtschaft zu mir auszuschließen.
    Wie konnte es sein, dass sich nirgends eine Spur meiner Mutter finden ließ? Ich weiß, dass die Zeiten damals andere waren, aber wie konnte dieses Dokument jemals offiziell anerkannt werden? Man darf den Einfluss nicht unterschätzen, den die Kirche damals auf den Staat hatte, doch das hier grenzte an vorsätzliche Verdunkelung. Einmal brachte ich den Mut auf, meinen Vater nach meiner Mutter und den Umständen meiner Geburt zu fragen. »Sie war eine Hure«, schrieb er auf meine Anfrage zurück; als würde das alles erklären und bedürfe keiner weiteren Worte. Bald darauf sollte ich dennoch mehr über die höchst befremdlichen Umstände meiner Geburt erfahren. Wenn auch nicht mehr von ihm.
    Eines Tages, im März2001 , blätterte ich die Samstagsausgabe der Irish Times durch und stieß eher zufällig auf die Todesanzeige meines Vaters.
    »… in tiefer Trauer seine liebende Gattin Judith und sein Sohn Philip … «
    Die Nachricht weckte gemischte Gefühle in mir. Traurig war ich ganz sicher nicht, eher empfand ich leise Erleichterung. Vor langer Zeit schon hatte ich mich damit abgefunden, dass mein Vater nichts von mir wissen wollte. Dennoch war da immer dieser winzige Hoffnungsschimmer geblieben. Eines Tages würde er mir vergeben, was auch immer ich seiner Ansicht nach verbrochen hatte, würde stolz auf meinen Erfolg sein und mich als seinen Sohn anerkennen. Nun, da auch diese Hoffnung dahin war, konnte ich mich vielleicht entspannen.
    Wider Erwarten verletzte mich der Wortlaut der Anzeige. Auch ich

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