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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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angestarrt und unser Haus beobachtet hatte. Ich kann nur ahnen, was dabei in ihm vorging. Wir hätten seine Familie sein können; unser Anblick muss ihn mit maßlosem Neid erfüllt haben. Wenn selbst ich den Verrat meines Vaters kaum verwinden konnte, wie muss es dann Oliver zeit seines Lebens ergangen sein? Am Tag der Beerdigung hatte ich seine Beleidsbekundung entgegengenommen, ohne zu wissen, dass er mein Bruder war. Eines war klar: Ich würde Oliver in nicht allzu ferner Zukunft aufsuchen müssen. Vielleicht war es ja noch nicht zu spät, ihn in der Familie willkommen zu heißen.
    Als ich ihn dann einige Monate später tatsächlich traf, sollte unsere Begegnung jedoch wenig erfreulich verlaufen.

XVI
    OLIVER
    Ich war gespannt, was Pater Daniel mir sagen wollte. Ob mein Vater mir etwas vermacht oder mir eine Nachricht hinterlassen hatte? Und wenn ja, wäre ich daran überhaupt noch interessiert? Aber der Pater war immer gut zu mir gewesen, und eigentlich freute ich mich auch darauf, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Also ging ich in der darauffolgenden Woche zu ihm.
    Pater Daniel hatte damals bereits ein stolzes Alter erreicht, doch sein Geist war noch wach und rege. Auch seinem Wohlwollen hatte der Lauf der Zeit nichts anhaben können. Ich weiß, dass, würde er noch leben, meine derzeitigen Umstände bestimmt eine große Enttäuschung für ihn wären. Aber vielleicht hätte gerade er meine Verzweiflung verstehen können.
    Ich wurde in sein Empfangszimmer geführt, das mir noch vertraut war von den wenigen Besuchen meines Vaters zu Schulzeiten. Nichts hatte sich seitdem verändert. Ich merkte sofort, wie aufgewühlt Pater Daniel war. Zögernd erklärte er, dass er nicht wisse, ob es richtig oder falsch sei, was er zu tun gedenke.
    »Dein Vater war ein … nun, sagen wir, ein recht eigener Mensch«, stellte er fest, was ihm keinen Widerspruch von mir einbrachte.
    »Ich wollte … Ich bin mir nicht sicher, ob … « Wieder dieses Zögern, diese Ungewissheit.
    Wie es aussah, gab es keine Hinterlassenschaft. Nicht, dass es mich gekümmert hätte; meine Umstände waren so erfreulich, dass ich das Geld nicht brauchte. Was gewiss gut so war, denn Pater Daniel teilte mir mit, dass mein Vater sein gesamtes Vermögen Judith und Philip hinterlassen habe. Ich wurde im Testament nicht erwähnt. Aber Judith hatte, mit der Bitte, es mir zukommen zu lassen, Pater Daniel ein kleines Kästchen goldener Ordensmedaillen gegeben. Ich warf einen flüchtigen Blick darauf. In die Anhänger waren Kruzifixe eingraviert.
    Pater Daniel versuchte, sich an meines Vaters statt zu entschuldigen; ich winkte ab und nahm dankend ein kleines Glas Jameson an, um ihm aus seiner Verlegenheit zu helfen.
    »Hat er dir gegenüber jemals … deine Mutter erwähnt?«, fragte er mich.
    Ich horchte auf. »Meine … Mutter?« Allein das Wort fühlte sich fremd auf meinen Lippen an.
    Pater Daniel setzte sich in seinem Sessel zurecht. »Nun, das dachte ich mir. Es fällt mir nicht leicht … « Fragend sah er mich an. »Wir müssen nicht … wenn du nicht willst.«
    Ich entschuldigte mich kurz und verließ das Zimmer. Plötzlich hatte ich das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette; wie von selbst fingerten meine Hände an meinen Manschetten herum. Ich war versucht, einfach zu gehen, lief stattdessen eine Weile im Korridor auf und ab. Wollte ich das wissen, wollte ich es wirklich wissen? Natürlich wollte ich. Jeder Junge, ganz gleich, wie alt er ist, braucht eine Mutter. Ist ihm das nicht vergönnt, muss er zumindest etwas über sie wissen; das liegt nun mal in der Natur des Menschen. Ob ich es wissen wollte, war somit gar nicht die Frage. Ich musste es wissen. Ehe ich wieder zu Pater Daniel hineinging, fragte ich mich einen Augenblick, ob ich wohl als anderer Mensch wieder herauskäme. Dann bat ich den Pater, mir alles zu erzählen.
    »Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich kann dir nur erzählen, was ich damals gehört habe. Ich habe keinen einzigen Beweis für meine Worte, aber Freunde von mir waren damals dort, und von ihnen habe ich es erfahren.«
    »Wo dort?« Ich hatte keine Ahnung, was er meinte.
    »In Nordrhodesien, heute Sambia«, sagte er. »Angeblich wurde der Vorfall ganz offiziell zu Protokoll gegeben, aber natürlich hat man versucht, das Ganze zu vertuschen. Ich habe die letzten Tage nach den Unterlagen gesucht, damit ich dir etwas geben könnte, aber sie sind verschwunden. Es gibt keine Aufzeichnungen.«
    Und das sind die »Fakten«,

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