Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
verfügt hatte, das Land solle ausschließlich für den Weinbau genutzt werden. Da Joost wenig gewillt schien, sich die Finger schmutzig zu machen, hatte er nun diese armen Jungs nach Frankreich gebracht, damit sie lernten, für ihn zu arbeiten. Weil er nicht wollte, dass sie in den Unterkünften wohnten, die wir für die Arbeiter bereitgestellt hatten, ließ er sie in einer Scheune im Dorf einquartieren. Auch zahlte er ihnen ihren Lohn nicht aus, versorgte sie dafür aber reichlich mit Wein, den wir kostenlos ausgaben. Es dauerte eine Weile, bis ich über diese Zustände im Bilde war. Tatsächlich waren es die anderen Arbeiter, die mir sagten, was vor sich ging. Sie waren mit der Situation alles andere als glücklich, doch erst als ich sah, wie manche der schwarzen Jungs zugerichtet waren, konnte auch ich glauben, dass an den Geschichten über Joosts brutale Methoden etwas Wahres war. Umgehend bat ich ihn, das Anwesen zu verlassen. Für seine Jungs, die praktisch wie Sklaven lebten, konnte ich leider nichts weiter tun. Sie sprachen kein Französisch, verfügten über wenig bis gar keine Schulbildung, und wir hatten nicht genügend Arbeit, um sie über den Sommer hinaus zu beschäftigen. Am Abend vor ihrer Abreise suchten Papa und ich sie noch einmal auf, während Joost sich wohl im Dorf betrank. Wir gaben ihnen Geld und etwas zu essen, doch sie schienen Angst zu haben. Nur ein Junge trat mutig vor, gab uns die Hand und bedankte sich. Die anderen wirkten fassungslos über sein forsches Auftreten.
Auch wenn ganz offiziell mein Vater als der Gutsherr das Sagen hatte, so war doch zu diesem Zeitpunkt längst ich es, die alle Fäden in der Hand hielt. Ich kümmerte mich um das Schloss, die Ländereien, die Obstgärten, den Olivenhain und den Weinberg. Obwohl Freunde und Nachbarn uns tatkräftig unterstützten, erwies es sich doch bald als unverzichtbar, einen Verwalter zu haben. Ich stellte Max und Constantine ein, damit sie sich die im Haus und auf den Ländereien anfallenden Aufgaben teilten. Die beiden waren Nachbarn und gute Freunde von uns, wir vertrauten ihnen. Im Grunde, und der Gedanke amüsiert mich nun im Nachhinein, hatten wir unser Gut wie einen Kibbuz organisiert oder eine Landkommune. Allerdings bestand ich darauf, dass die Familie abends im Haus zu Tisch saß und die Arbeiter draußen. Auch würden die Saisonarbeiter nicht im Haus übernachten, sondern in separaten Unterkünften. Wenn auch sonst alles geteilt wurde, in diesem Punkt war ich unnachgiebig. Ich hatte Papa ermutigt, mir die Zügel zu überlassen, was er, wie ich fand, mit einer gewissen Erleichterung auch tat und sich mit Würde zurückzog. Dafür wollte er sich um Jean Lucs Bildung kümmern. Mein Sohn sollte im Herbst eingeschult werden, und Papa hatte sich in den Kopf gesetzt, ihm schon einmal einen soliden Vorsprung zu verschaffen.
Von all meinen Aufgaben lag mir die Verpflegung unserer Arbeiter am meisten am Herzen. Bald übernahm ich die Rolle der Köchin und ging ganz in meiner Arbeit auf, wenngleich es wohl nicht das war, was mein Vater gern für mich gesehen hätte. Aber ich hatte Freude daran und besaß Talent. Als wir nach dem Krieg ganz ohne Dienstboten auf uns allein gestellt gewesen waren, hatte meine Tante Cécile kurzerhand die Ärmel hochgekrempelt und uns aus dem Wenigen, das wir hatten, gute und nahrhafte Mahlzeiten bereitet. Meine Kochkunst habe ich ihr zu verdanken. Sie hat mich die Grundlagen der ländlichen Küche gelehrt und mir sämtliche Tricks und Kniffe beigebracht. Nun war ich es, die für unser leibliches Wohl sorgte, während Max und Constantine sich um den Rest kümmerten.
Oliver und Laura waren die Ersten, die ich von den irischen Erntehelfern bewusst wahrgenommen habe. Die beiden waren ein schönes Paar. Bildschön. Er sah erstaunlich gut aus für einen Iren. Die anderen hatten diese typischen blassen Gesichter und vertrugen die Hitze schlecht, seine Haut war etwas dunkler, glatt und ebenmäßig, seine Augen fast schwarz mit langen Wimpern. Auch seine Freundin Laura war eher ein dunkler Typ, mit langem schwarzen Haar, aber bei Gott, was war sie zierlich! Obwohl wir auf den Feldern einige Frauen beschäftigten, machte ich mir bei diesem Mädchen doch ernsthafte Sorgen, ob sie der Arbeit überhaupt gewachsen war.
Oliver sprach sehr gut Französisch und übersetzte oft für die anderen. Für Papa wurde er zum Sprecher der ganzen Gruppe, und er wandte sich mit allen Belangen an ihn. Seit seiner Inhaftierung
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