Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
wie sie mir dargestellt wurden:
Anfang der 50er Jahre wurde mein Vater zusammen mit drei anderen jungen Priestern nach Afrika geschickt, wo er in den Dörfern am Ufer des Sambesi Missionsschulen aufbauen sollte. In Lakumu, einem sehr armen und der Hilfe bedürftigen Dorf, blieb er ein ganzes Jahr und freundete sich mit einem einheimischen Mädchen namens Amadika an.
O nein. Mein Vater ein pädophiler Priester? Auch das noch. Aber was hat das mit mir zu tun?
Pater Daniel legte großen Wert darauf zu betonen, dass Amadika zwar eine Schülerin, aber kein Kind mehr gewesen sei. Sie war damals wohl um die zwanzig; die Freundschaft sei zudem rein platonisch gewesen. Anscheinend war sie eine sehr kluge und aufgeweckte junge Frau, und es war kein Geheimnis, dass mein Vater ihren schulischen Eifer mit allerlei Auszeichnungen belohnte. Unter anderem ließ er sie bei sich kochen und putzen.
Er hielt sie als seine Sklavin? Läuft es darauf hinaus? Mein Vater, der Sklavenhalter. Aber was hat das mit mir zu tun?
Weil die Schule bald überfüllt war, wurde verfügt, dass nur noch jüngere Kinder am Unterricht teilnehmen sollten. Amadikas Mutter flehte meinen Vater an, ihrer Tochter weiterhin den Schulbesuch zu ermöglichen, doch er lehnte ab. Er dürfe für niemanden eine Ausnahme machen.
Anscheinend wurde Amadika von ihrer Mutter gedrängt, meinen Vater zu verführen und so ihr Recht einzufordern, auf der Schule bleiben zu dürfen. Hier sah Pater Daniel sich genötigt anzumerken, dass die Einheimischen bitterarm gewesen wären und über keine anderen Mittel verfügt hätten. Amadikas Mutter habe im Grunde ganz richtig erkannt, dass nur eine gute Schulbildung ihrer Tochter eine bessere Zukunft ermöglichen würde. Anscheinend war mein Vater ein sehr frommer junger Mann mit Ambitionen auf ein hohes Kirchenamt, doch in diesem einen Falle gab er seinen natürlichen Bedürfnissen nach und schlief mit dem Mädchen. Gleich danach jagte er sie aus dem Haus, verwies sie der Schule und brach jeden Kontakt zu ihr ab.
Natürlich hat er mit ihr geschlafen. Sie hat sich ihm angeboten. Und dann hat er sich geschämt. Was hat das mit mir zu tun?
Amadika wurde schwanger und verursachte einen Skandal, als sie behauptete, Vater des Kindes sei Pater Francis Ryan. Er stritt alles ab, bis das Mädchen ein weißes Baby zur Welt brachte. Mich.
Mich? Nein.
Unmöglich. Völlig ausgeschlossen.
Als Pater Daniel an diesen Punkt seiner Erzählung gelangt war, verschlug es mir erst ungläubig die Sprache, später dann folgte der Schock. Aufgrund der Worte meines Vaters hatte ich immer angenommen, ich sei das Resultat der Affäre mit einer Prostituierten. Noch weiter hatte ich das Thema nicht vertiefen wollen, zumal meine Geburtsurkunde ohnehin ein Werk der Fiktion schien. Aber das hier übertraf alles, fand ich. Es war zu fantastisch, um wahr zu sein. Ich war weiß . Pater Daniel räumte ein, dass auch er es erst nicht habe glauben wollen, schwor mir aber, die Geschichte genau so von den anderen Priestern gehört zu haben. Er hob noch einmal hervor, dass Amadika keine Prostituierte gewesen sei. Nur durch Armut und schiere Verzweiflung habe sie sich gezwungen gesehen, das einzig ihr zur Verfügung stehende Mittel zu nutzen, um ein besseres Leben für sich zu schaffen. Irgendwie kam mir das bekannt vor, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben.
»Sie haben keine Beweise!«, flüsterte ich. »Sie haben gesagt, es gäbe keine Aufzeichnungen mehr!«
»Nein, die gibt es nicht«, räumte Pater Daniel ein. »Aber ich wüsste nicht, warum sich jemand eine solche Geschichte hätte ausdenken sollen. Und außer mir ist niemand mehr am Leben, der es dir erzählen könnte.«
Ich begann im Zimmer auf und ab zu gehen, versuchte, das eben Gehörte zu begreifen, doch es wollte einfach keinen Sinn ergeben.
»Vielleicht war es ein Fehler von mir, dir das zu sagen. Aber ich fand, du solltest es erfahren. Nur wenige wussten überhaupt davon, die Sache wurde sehr vertraulich behandelt.«
Ich glaubte ihm kein Wort, und das sagte ich ihm auch. Er hoffe, er habe mir keinen unnötigen Kummer bereitet, entschuldigte sich der Pater. Ich merkte, wie sehr es ihn reute, mir eine solch haarsträubende Geschichte erzählt zu haben.
»Mach einfach so weiter wie bisher. Nichts ändert sich dadurch. Es wissen nur wir beide.«
»Und was ist dann passiert? Was wurde aus ihr?«
Ich versuchte Sinn zu finden in etwas, das für mich keinen Sinn ergab, während Pater Daniel mit
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