Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
seiner Geschichte fortfuhr. Meiner Geschichte?
Amadika verstieß ihr Baby nach der Geburt; sie fürchtete sich vor ihm und wurde von Freunden und Nachbarn gemieden. Niemand im Dorf hatte je zuvor ein weißes Baby gesehen. Man glaubte, die kränkliche Blässe des Neugeborenen habe einen Fluch über ihren Stamm gebracht. Angeblich soll sie das Kind vor der Hütte meines Vaters ausgesetzt und mit ihrer Mutter das Dorf verlassen haben. Niemand wusste, wohin sie gegangen ist, der Name ihrer Familie war nicht bekannt.
Mein Vater erlitt einen Nervenzusammenbruch. Den anderen Priestern zufolge soll er strengen Glaubens gewesen sein, was den Bruch seines Gelübdes, so vermutete Pater Daniel, umso schlimmer für ihn gemacht habe. Niemals, so beharrte er, habe er von sich aus sexuellen Kontakt gesucht, doch seine Aussicht auf ein Kirchenamt war ruiniert. Er wurde der Priesterschaft verwiesen und kehrte mit einem ungewollten Sohn nach Irland zurück. Guten Verbindungen zum Erzbischof war es zu verdanken, dass mein Vater dennoch in der Kirche unterkam, allerdings nur in beratender Funktion und unter der Auflage, sich von mir zu distanzieren, um unnötige Fragen oder gar einen Skandal zu vermeiden. Man nahm an, dass bei dem Kind, dass bei mir im Laufe der Zeit die schwarzen Wurzeln durchschlagen könnten, dass meine Haare sich krausen und meine Nase in die Breite gehen würde. Ich aber widersetzte mich ihren Erwartungen und behielt mein mitteleuropäisches Erscheinungsbild bei. Den wenigen, die von meiner Existenz wussten, sagte man, ich sei ein verwaister Neffe. Als mein Vater wenige Jahre später Judith heiratete, wurde ich nach St. Finian’s abgeschoben.
Sollte Pater Daniel recht haben, sollte es wirklich wahr sein, so bin ich eine seltene Laune der Natur. Zugegeben, meine Augen sind dunkelbraun, fast schwarz, und meine Haut ist nicht gar so blass wie die des durchschnittlichen Iren, aber ansonsten bin ich in jeder nur erdenklichen Hinsicht ein weißer Europäer.
Ich entschied mich, der Sache keinen Glauben zu schenken, und erzählte niemandem davon. Als Pater Daniel im Jahr darauf starb, legte ich seine alberne Geschichte mit ihm zu Grabe. Für mein gegenwärtiges Leben machte es keinen Unterschied, und die Vergangenheit konnte ich nicht ändern. Wer weiß, was damals in Afrika passiert ist? Zwar hatte ich herausgefunden, dass mein Vater zur besagten Zeit tatsächlich in Nordrhodesien war, dass es ein Dorf namens Lakumu gibt, aber weiter wollte ich meine Recherchen nicht treiben. Mehr brauchte ich nicht zu wissen. Es spielte keine Rolle mehr.
Die Wahrheit ist, dass ich einen besseren Vater verdient hätte. In Frankreich habe ich einen gefunden, nur leider war er nicht der meine.
XVII
V É RONIQUE
Nun weiß ich gar nicht mehr, wie es kam, dass wir in diesem Sommer irische Studenten einstellten. Ich wusste wenig über Irland, nur dass dort viel Whiskey getrunken wurde, und ich hatte wohl schon einmal irische Musik gehört. Der Cousin eines Freundes hatte es meines Wissens organisiert. Zu Beginn war ich mehr als skeptisch, wie Studenten mit der körperlich doch sehr anstrengenden Arbeit zurechtkommen würden. Sie haben sich jedoch allesamt redlich bemüht, wenn auch mit recht unterschiedlichem Erfolg. Im selben Jahr fanden wir uns zudem bereit, Arbeiter aus Südafrika bei uns aufzunehmen, sie im Weinbau zu unterweisen und ihnen für ihre Arbeit ein kleines Entgelt zu zahlen. Wie zu erwarten, waren nicht alle unserer weißen Arbeiter erfreut darüber, mit Schwarzen zusammenarbeiten zu müssen. Aber mein Vater machte seinem Ruf alle Ehre und ging einmal mehr mit gutem Beispiel voran. Ohne dass er auch nur ein Wort darüber zu verlieren brauchte, wurden wir alle der schrecklichen Folgen von Intoleranz und Rassismus ermahnt.
Später sollte ich es sehr bereuen, keine weiteren Nachforschungen angestellt zu haben, wer genau da zu uns käme und wie die Arbeitsverhältnisse aussahen. Ein Mann aus Stellenbosch hatte mir geschrieben mit der Bitte, ob er nicht seinen Sohn schicken könne, damit er in Frankreich etwas über Weinbau lerne; sein Sohn würde auch sieben weitere Arbeiter mitbringen. Ich plante somit acht Männer ein, die zwei Monate bei uns arbeiten würden. Was wir bekamen, waren sieben schwarze Jungs, manche von ihnen wirklich noch halbe Kinder, und einen weißen Afrikaaner namens Joost, der als Einziger Französisch sprach. Es war wohl so, dass Joost ausgedehnten Landbesitz am Westkap erben würde, sein Vater indes
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