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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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Schritte auf den Bodenfliesen widerhallen; dann war nichts mehr zu hören außer dem leisen Brummen der Kühlaggregate, meinem Atem und Onkel Dans Atem. Wieder einmal versagte die Zeit im Angesicht einer Tragödie. Wir warteten Minuten, vielleicht Stunden auf die Neuigkeit, die längst keine mehr war. Irgendwann schlug Onkel Dan vor, wir sollten ein Ave-Maria beten. Mir wollte nicht in den Kopf, welchen Unterschied das jetzt noch machen könnte.
    Ich glaube, meine Eltern sind letztlich an ihrem Kummer gestorben, auch wenn es bis dahin noch einige Jahre dauern sollte. Wir wandten uns an Madame Véronique, doch auch sie konnte kein Licht auf das Dunkel um Lauras Tod werfen. Laura habe hervorragende Arbeit geleistet, versicherte sie uns, und ihr sei nichts an ihr aufgefallen, was Anlass zur Sorge gegeben hätte. Wir hätten allen Grund, auf so eine kluge und tüchtige junge Dame stolz zu sein. In diesen Worten fanden wir Trost.
    Immer wieder lasse ich Lauras letzte Lebensjahre und die Ereignisse jenes Sommers an mir vorüberziehen. Bevor wir nach Frankreich fuhren, war Laura eine fröhliche, lebensbejahende, vielleicht etwas oberflächliche junge Frau, die eine vielversprechende Zukunft vor sich hatte. Aber im Laufe des Sommers 1973 begann sie sich zu verändern. Ehrlich gesagt erstaunten Madames lobende Worte mich etwas. Sie erstaunten mich, doch sie trösteten mich auch.
    Die Beerdigung war furchtbar. Oliver sprach uns in einer wunderschön geschriebenen Karte sein Beileid aus, konnte aber nicht kommen. Seine Absage ärgerte mich; ein kleiner Ärger, der sich zu all meiner Wut, der Trauer und den Schuldgefühlen gesellte. Ich fand es respektlos mir und meinen Eltern gegenüber und Lauras Andenkens nicht würdig. Was sollte so wichtig sein, dass er nicht zu ihrer Beerdigung kommen konnte?
    Mit Hilfe der Polizei konnten wir die Veröffentlichung von Lauras Foto noch stoppen; die Meldung erschien nur in einer einzigen Zeitung. Die Beerdigung fand im engsten Familienkreis statt, Kondolenzkarten trafen nur zögerlich ein, dafür über einen langen Zeitraum verteilt. Über Selbstmord wurde damals nicht offen gesprochen, und die Leute wussten kaum, ob und wie sie uns ihre Anteilnahme ausdrücken sollten. Wir behielten unsere Trauer also weitestgehend für uns, um unsere Freunde nicht in Verlegenheit zu bringen. Ich glaube, daran hat sich bis heute wenig geändert. Wenn jemand an Krebs stirbt, liegt der Verlauf der Krankheit offen zutage, und der Verfall kann detailliert nachvollzogen werden, aber Selbstmord findet im Verborgenen statt und wird immer der Makel der Hinterbliebenen bleiben.
    Manchmal fragte ich mich, ob nicht Oliver der Schlüssel zum Rätsel um Lauras Tod ist. Sie hat sich erst in Frankreich so sehr verändert, und Oliver stand ihr damals am nächsten, er hat sie am besten gekannt. Einmal kam mir sogar der Gedanke, dass sie vielleicht schwanger gewesen war, aber ich kannte meine Schwester und konnte mir nicht vorstellen, dass sie ihr Kind abgetrieben oder es zur Adoption freigegeben hätte. Sie hätte es behalten, trotz aller Probleme, die dies mit sich gebracht hätte. Blieb also noch die Möglichkeit einer Fehlgeburt, was Lauras Depression erklären könnte, aber als ich dies Oliver gegenüber andeutete, wirkte er zutiefst betroffen. Der Gedanke sei ihm nie gekommen, und es tat mir leid, es überhaupt zur Sprache gebracht zu haben. Ich wollte es nicht so aussehen lassen, als gäbe ich ihm die Schuld an allem.
    Jahre später sollte Oliver eine besonders heldenhafte Figur in seinen Büchern nach Laura benennen; ich sah es mit einer gewissen Genugtuung. Er selbst hat sich erst Anfang der Achtziger wieder bei mir gemeldet und angefragt, ob wir seine Hochzeitsfeier im L’Étoile ausrichten könnten. Zu dem Zeitpunkt war Dermot bereits als Maître d’hôtel eingestiegen, ich führte weiter in der Küche Regie. Unsere erste Begegnung hätte es nicht vermuten lassen, aber tatsächlich konnte Dermot wunderbar mit Leuten umgehen, hatte alle Namen im Kopf, wusste, wer was trank, und vergaß keinen einzigen Geburtstag. Außerdem war er ein wahres Organisationstalent und spannte der Konkurrenz die besten Kellner der Stadt aus. Unsere Stammgäste kamen nicht nur wegen des guten Essens, sondern auch wegen des vortrefflichen Service und der Liebe zum Detail, auf die sie bei Dermot und seinem Team zählen konnten.
    Das Restaurant lag in einem ehemaligen Stallgebäude, und ich wohnte sehr komfortabel in der Wohnung direkt

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