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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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legte sie in einer kurzen, verstohlenen Geste auf ihren Bauch. Er riss sich von ihr los. Nicht ein einziges Mal hat er ihr in die Augen geschaut. Ich sah ihn da stehen, auf Distanz bedacht; er fummelte an seinen Handgelenken herum und würdigte Laura keines Blickes. Wie kalt er ist, dachte ich da, wie lieblos ihr gegenüber und wie gleichgültig. Wie hatten mein Vater und mein Sohn ihn so sehr mögen können? Als er zu den anderen in den Transporter stieg, der sie in die Stadt bringen sollte, fing Laura an zu weinen. Michael, der ja nichts von dem Kind wusste, muss geglaubt haben, sie weine um Oliver und das Ende ihrer Beziehung. Er schloss seine Schwester kurz in die Arme und gab ihr sein Taschentuch. Ich sah, wie er sie ein letztes Mal zu überreden versuchte, mit ihnen zu kommen, doch sie schüttelte entschieden den Kopf. Dann umarmten sie sich noch einmal, er stieg zu den anderen auf die Ladefläche, und Laura winkte ihnen hinterher, bis der Wagen durch das Tor verschwunden war. Noch lange stand sie so da, den Blick auf den Horizont gerichtet, wo der Wagen verschwunden war, dann senkte sie den Blick und schien ein paar stumme Worte zu ihrem ungeborenen Kind zu sprechen. Sie tat mir leid. In all meiner lähmenden Trauer empfand ich auf einmal Mitgefühl für dieses Mädchen.
    In den nächsten Wochen und Monaten sollte ich Laura sehr gut kennenlernen. Nun, da die anderen fort waren und sie kein Englisch mehr sprechen konnte, wurde ihr Französisch mit jedem Tag besser. Sie war zu diesem Zeitpunkt im dritten Monat, und seit sie entschieden hatte, wie es nach der Geburt weitergehen sollte, wirkte sie ruhiger und klarer. Wenn das Kind im März zur Welt käme, wollte sie es über das Herz-Jesu-Kloster in Bordeaux zur Adoption freigeben, dann nach Hause zurückkehren und ihr normales Leben wieder aufnehmen. Laura war in Irland von Nonnen desselben Ordens unterrichtet worden und vertraute auf ihre Güte und ihr Verständnis. Mir schien mehr als zweifelhaft, ob sie auch nur ahnte, welche Gefühle eine Mutter für ihr Neugeborenes entwickeln konnte. Doch war ich wie gesagt zu sehr mit mir selbst beschäftigt, als dass ich mir groß Gedanken darum gemacht hätte.
    Tatsächlich war Laura mir eine große Hilfe, auch wenn ich es zunächst kaum bemerkte. Anfangs irritierte es mich, dass sie für mich betete und sogar mit mir beten wollte, Kerzen anzündete und sich bekreuzigte, wann immer sie an der Ruine des Ostflügels vorbeikam. Welcher Gott denn?, fragte ich mich. Als ob es einen Gott gäbe, der ein kleines Kind und einen Kriegshelden diesen schrecklichen Feuertod sterben lassen würde. Doch irgendwann begann ich Trost aus den Ritualen zu ziehen und musste feststellen, dass sie mir halfen, die Dunkelheit und Verzweiflung im Zaum zu halten. Lauras Glaube gab ihr Gewissheit, dass alles einen Sinn hatte, dass nichts geschah, was nicht dem Wohle der Menschheit diente. Auf welche Weise auch immer. Allem Trost zum Trotz, kann ich einer solchen Überzeugung doch ehrlich gesagt bis heute wenig abgewinnen.
    Laura bat mich, ins Haus ziehen zu dürfen, da Anfang November kaum noch Saisonarbeiter auf dem Anwesen und die Quartiere nicht winterfest waren. Meine goldene Regel, dass das Haus der Familie vorbehalten sei, schien nun hinfällig. Schließlich gab es keine Familie mehr. Und so kam es, dass Laura und ich während der Wintermonate, während sie mich pflegte, fütterte und für mich sorgte, fast wie von selbst zu Freundinnen wurden. Oh, ich weiß noch, wie schockiert Laura war, als ich ihr die Wahrheit über Jean Lucs Herkunft anvertraute. Dass mein Vater mich gar noch dazu ermutigt hatte, wollte sie erst gar nicht glauben. Auch sie hatte angenommen, ich sei Witwe. Dergleichen wäre in Irland unmöglich, beharrte sie, ein uneheliches Kind galt als Schande. Das wäre in Frankreich nicht anders, versicherte ich ihr, nur hätte ich mich glücklich schätzen können, einen ganz außergewöhnlichen Vater zu haben. Sie versuchte mich davon zu überzeugen, dass es noch nicht zu spät wäre, mich zu verlieben, zu heiraten, weitere Kinder zu bekommen. Nun, ich war damals neununddreißig, gut doppelt so alt wie sie, und wollte mich keineswegs erneut verlieben. Das Risiko, wieder alles zu verlieren, schien mir zu groß und das Wagnis nicht wert. Laura nickte wissend, traute sich aber nicht, ihren Verlust mit dem meinen zu vergleichen, auch wenn ich genau wusste, an wen sie in diesem Augenblick dachte. Doch schon einen Monat später schien

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