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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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sie einander bei der Hand hielten in dem Versuch, sich gegenseitig zu retten. Ich weiß, dass sie es versucht hätten, ganz sicher.
    Bruchstückhaft kehrt des Chaos dieser Nacht zu mir zurück. Ich höre den schrecklichen Laut meiner eigenen Schreie, spüre die starken Arme von Michael und Constantine, die mich zurückzuhalten versuchten, ich rieche den Geruch des Feuers und meinen eigenen Schweiß. Wieder sehe ich die Frauen, wie sie wild durcheinander schreien, die Männer, die das Kommando übernehmen. Wie aus weiter Ferne, aus all dem herausgelöst, sehe ich Laura, die sich hysterisch schluchzend an Oliver klammert, der sich ihrer kaum bewusst scheint.
    Die Tage darauf sind wie ausgelöscht. Ich stand unter starken Beruhigungsmitteln. An die Beerdigungen habe ich keinerlei Erinnerung, doch es heißt, ich sei dort gewesen. Ich blieb im Schloss wohnen. Der Westflügel war weitestgehend unversehrt, ein paar Rauchschäden, doch minimal. Die dicke Mauer zwischen Ostflügel und Korridor hatte verhindert, dass das Feuer auf meinen Teil des Hauses übergreifen konnte. Küche, Wohnräume und mein Schlafzimmer hatten keinen Schaden genommen. Heerscharen von Menschen gingen in den nächsten Tagen und Wochen bei uns ein und aus, brachten mir Essen, beteten für mich, spendeten mir Trost, vertrauten mir eigene Verlusterfahrungen an. Doch es sollte noch Wochen dauern, bis mir bewusst wurde, dass mir nun genau jene Zukunft bevorstand, die Papa immer befürchtet hatte.
    Einige der Arbeiter reisten kurz darauf ab. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Die Ernte war eingestellt, wir würden ihnen keinen Lohn mehr bezahlen können. Manchen schien es unangenehm zu sein, sie entschuldigten sich für ihre vorzeitige Abreise. Aber die irischen Studenten sind geblieben, noch einen ganzen Monat. Michael war ganz wunderbar. Er hat sich an meiner Stelle um die Küche gekümmert und half mir, wo er konnte. Mir war damals alles gleich, und meine Hände würden eine Weile brauchen, bis sie geheilt waren. Oliver muss unter Schock gestanden haben, er sprach kaum ein Wort. Es beschämt mich ein wenig, wie sehr ich ihm seine Trauer missgönnte. Ich fand, er hatte kein Anrecht darauf. Gerade mal ein paar Monate hat er die beiden gekannt. Für mich waren sie mein Leben gewesen. Jedes Mal, wenn ich ihn so sah, wie er trübsinnig auf den Stufen der Terrasse hockte, den Kopf in den Händen vergraben, während Laura versuchte, ihn wie einen verkümmerten Weinstock aufzupäppeln, stieg bitterer Zorn in mir auf.
    Als ihre Abreise näherrückte, fragte Laura mich, ob sie bleiben dürfe. In einem Verzweiflungsanfall hatte sie Oliver von der Schwangerschaft erzählt und gehofft, ihn so aus seiner Starre zu reißen. Aber Oliver habe nichts davon wissen wollen. Sein einziger Kommentar sei gewesen, dass er nie wieder Vater sein wolle. Nie wieder? Was sollte das heißen, »wieder«? Laura erklärte mir, dass Oliver und Jean Luc oft gespielt hätten, sie wären Vater und Sohn. Auch mein Vater soll bei diesem Spiel mitgemacht haben. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber vielleicht hat Oliver ja wirklich geglaubt, in gewisser Weise Jean Lucs Vater geworden zu sein. Und Papas Sohn. Ein dummes Spiel schien mir das, aber nun endlich konnte ich seinen Schmerz und seine Trauer verstehen. Ich verlor kein Wort darüber, aber ich habe Oliver verziehen.
    Ja, sie könne bleiben, habe ich Laura gesagt. Dass sie ein ganzes Jahr bleiben würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Auch nicht damit, dass sie so bald darauf sterben würde. Schrecklich, so viele Tote.

XVIII
    MICHAEL
    In den Monaten nach ihrer Rückkehr aus Frankreich litt Laura unter starken Stimmungsschwankungen. Meine Eltern machten sich Sorgen um sie. Im Oktober 1974 ging Laura zurück ans College, brach ihr Studium aber bereits im November wieder ab. Und dann, in der ersten Dezemberwoche, war sie auf einmal spurlos verschwunden.
    Mum rief mich an einem Donnerstagmorgen im Restaurant an und fragte, ob ich wisse, wo Laura sei. Am Abend zuvor wäre sie gegen zehn Uhr zu Bett gegangen, aber als Mum sie am Morgen wecken wollte, war sie nicht in ihrem Zimmer. Ihr Bett war unberührt, und weder Mum noch Dad hatten sie das Haus verlassen hören. Wir riefen Freunde an und fragten in der Nachbarschaft herum, aber niemand hatte Laura gesehen oder von ihr gehört. Als sie Freitag früh noch immer nicht zurück war, begann meine Mutter panisch zu werden. Laura habe so ruhig und ausgeglichen gewirkt am Mittwochvormittag, bei

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