Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
Bekannten aus Bordeaux hatte ich zwischenzeitlich erfahren, dass das Kind erfolgreich vermittelt worden war; zu Laura hingegen hatte ich in all den Monaten keinen Kontakt gehabt. Selbst wenn ihre Familie nun von dem Kind erfuhr und es gerne zu sich nehmen würde, wäre es nun zu spät. Und so schrieb ich einen Teil der Wahrheit, ohne die eigentliche Wahrheit preiszugeben. Die Nachricht von ihrem Tod habe mich zutiefst getroffen, schrieb ich. Von einer Fehlgeburt wisse ich nichts. Laura sei ein ganz wunderbarer Mensch gewesen und werde auf Château d’Aigse schmerzlich vermisst. Sie sei mir eine große Hilfe gewesen und habe mir über meinen eigenen Verlust hinweggeholfen. Sie könnten stolz sein auf ihre schöne, couragierte Tochter. Ich sprach der Familie mein aufrichtiges Beileid aus und bat sie, Oliver meine Grüße auszurichten.
Kurz nachdem ich den Brief abgeschickt hatte, erschien mir eines Nachts mein Vater. In meinem Traum wussten wir beide, dass er tot war, doch schien es uns ganz selbstverständlich, wie früher miteinander zu reden. Papa sagte mir, ich müsse mich trauen, noch einmal von vorn zu beginnen, und solle mir nicht von der Vergangenheit meine Zukunft zerstören lassen. Ich müsse wieder zu leben anfangen und dürfe mir nicht von den Tragödien der letzten anderthalb Jahre jede Hoffnung auf künftiges Glück nehmen lassen. Dann streichelte er meine Wange, wie er es immer getan hatte, als ich ein Kind gewesen war, und küsste mich sanft auf die Stirn. Ein Kuss von ihm und einer von Jean Luc.
Sollte ich versuchen, Château d’Aigse wiederaufzubauen, oder verkaufen und wegziehen? Es schien mir unmöglich, allein noch einmal von vorn anzufangen. Die Ländereien waren seit dem großen Brand nicht mehr bestellt worden, aber ich hatte weder Lust noch die Kraft, mich darum zu kümmern. Auch auf die finanzielle Unterstützung meiner Nachbarn würde ich mich nicht bis in alle Ewigkeit verlassen können. Die Generation, die den Krieg miterlebt hatte, schien noch immer das Gefühl zu haben, in der Schuld meines Vaters zu stehen. Die Jüngeren jedoch waren uns nichts schuldig, wenngleich ich wusste, dass niemand mir Hilfe verweigern würde, wenn ich darum bat.
Schließlich entschloss ich mich, alles zu verkaufen. Eine Cousine von mir lebte gut vierzig Kilometer von Clochamps in einer kleinen Stadt; dorthin wollte ich ziehen. Aber just an dem Tag, als der Makler das Angebot in die Zeitung setzte, bekam ich Besuch.
Ich hatte Pierre seit der Woche von Jean Lucs Empfängnis nicht mehr gesehen und ihn so gut wie möglich aus meinem Gedächtnis gestrichen. Er hatte Wort gehalten und war seitdem nicht mehr in Clochamps gewesen, aber über seinen Onkel war die Nachricht, dass es ungefähr neun Monate nach seinem letzten Besuch einen kleinen Skandal gegeben hatte, bis zu ihm nach Limoges gelangt. Aus Furcht, die Schande könne seine eigene Familie erfassen, hatte sein Onkel ihn gebeten, vorerst nicht mehr zu kommen. Pierre wusste, dass ich das Kind gemeinsam mit meinem Vater aufgezogen hatte, dass beide bei dem Brand ums Leben gekommen waren und dass ich jetzt ganz allein war. Nach allem, was er von seinem Onkel erfuhr, hatte Pierre nie daran gezweifelt, dass er Jean Lucs Vater war, und bedauerte nun sehr, seinen Sohn nie kennengelernt zu haben. Von seiner Frau war er inzwischen geschieden, nachdem sie eine Affäre mit einem Gemeinderat gehabt, Pierre verlassen und die beiden Töchter – Zwillinge – mitgenommen hatte. Er habe nie aufgehört, an mich zu denken, versicherte mir Pierre. Im Laufe der Jahre habe er mir mehrere Male geschrieben, doch die Briefe nie abgeschickt. Ich sei seine große Liebe gewesen, und daran habe sich bis heute nichts geändert.
Wie sehr staunte ich, als mein so lang gehegter Wunsch Wirklichkeit wurde! Und als dieser liebenswerte und in jeder Hinsicht vollkommene Mann mir anbot, für mich zu sorgen, mich zu lieben und zu ehren, da konnte ich natürlich nicht Nein sagen, denn nichts bedurfte ich mehr als Liebe und Fürsorge. Beides von dem Mann zu bekommen, an den ich sieben Jahre kaum zu denken gewagt hatte, war die Erfüllung eines Traums.
Verständlicherweise war Pierre ein wenig schockiert, als ich ihm gestand, ihn ganz bewusst als Vater meines Kindes ausgesucht zu haben. Auch weinte er bittere Tränen um seinen Sohn, den er nie gekannt hatte. Was konnte ich mehr tun, als mich für meine List und Tücke zu entschuldigen? Als meine Wunden langsam zu heilen begannen, erzählte ich
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