Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
Vom Netzwerk:
Pierre so viel wie möglich aus dem kurzen Leben unseres Kindes. Ich versicherte ihm, dass er stolz auf Jean Luc sein könne, der ein ebenso guter, wunderbarer Mensch gewesen sei wie sein Papa.
    Nun, da ich mir nichts mehr beweisen musste und nichts mehr zu verlieren hatte, konnte ich Pierre in mein Leben lassen, konnte meinen Kummer mit ihm teilen und seine Liebe erwidern. Wir sind gemeinsam alt geworden und uns mit jedem Jahr nähergekommen; heute ist er mein Ein und Alles. Ein weiteres Kind sollte uns nicht vergönnt sein, es war schon zu spät für mich, aber ich verstehe mich wunderbar mit Pierres Töchtern. Mittlerweile kommen die beiden uns jeden Sommer mit ihren Kindern besuchen, um uns bei der Kochschule zur Hand zu gehen.
    Pierre und ich haben dann sehr bald geheiratet. Wahrscheinlich fanden wir beide, dass wir lang genug gewartet hatten. Wir beschlossen, das Château wieder vom Markt zu nehmen. Die Lehrzeit in der Metzgerei seines Onkels hatte sich ausgezahlt – Pierre besaß in Limoges eine sehr einträgliche Fleischfabrik, die er nach Clochamps verlegen ließ, womit in der Region wieder für Arbeit und Perspektiven gesorgt war, die Château d’Aigse längst nicht mehr bieten konnte. Unter dem Vorbehalt, dass die Flächen landwirtschaftlich genutzt und nicht als Bauland erschlossen wurden, verkauften wir den Weinberg, die Obstgärten und den Olivenhain; vier Hektar behielten wir für uns.
    Wir hatten mit dem Wiederaufbau des Ostflügels begonnen, doch ich war nicht mit dem Herzen dabei. Für mich würde dieser Teil des Châteaus immer von traurigen Erinnerungen und den Geistern der Vergangenheit erfüllt sein. Auch begann ich den praktischen Nutzen des Projekts in Zweifel zu ziehen. Wer sollte denn in all den Zimmern schlafen, wer die Bibliothek nutzen? Erst von den Nazis geplündert, dann vom Feuer zerstört – nein, ich konnte mich nicht für das Vorhaben begeistern. Nachdem die schlimmsten Schäden behoben waren, beschloss ich, den Ostflügel auf unbestimmte Zeit zu schließen. Es war keine Frage des Geldes, obwohl wir uns keine allzu großen Sprünge leisten konnten. Pierre bestärkte mich darin, eine Weile abzuwarten. Wenn die Zeit gekommen wäre, würden wir wissen, was zu tunsei.
    Nach meinem ersten Brief auf die Nachricht von Lauras Tod blieben Michael und ich in sporadischem Kontakt. Einmal schrieb er mir, dass er ein Restaurant eröffnet habe, was mich doch ein wenig überraschte. Nicht, weil er kein guter Koch war, sondern weil ich dachte, er wäre viel lieber Friseur geworden. Er meinte, er habe das alles mir zu verdanken, ich hätte seinen Geschmack geschult und ihm ganz neue kulinarische Erfahrungen ermöglicht. Sein Interesse am Kochen wäre niemals geweckt worden, hätte er nicht eine so hervorragende Lehrerin gehabt. Manchmal schrieb er mir aus fernen Ländern, schickte Zutaten und Rezepte, die er entdeckt hatte; hin und wieder machte ich Vorschläge, wie sich etwas verbessern oder variieren ließe. Wiederholt hat er mich und meinen Mann nach Dublin eingeladen, wir sollten ihn besuchen und uns sein Restaurant ansehen, aber ich bin seiner Einladung nie gefolgt. Unweigerlich wären wir auf Laura zu sprechen gekommen, und ich fürchtete die Behauptung, dass seine Schwester Château d’Aigse in bester Verfassung verlassen habe, ihm gegenüber nicht aufrechterhalten zu können. Schließlich ließ ich den Kontakt ganz einschlafen, da ich keinen Sinn mehr darin sah.
    Allerdings sollte es Michael sein, der mich auf die Idee zu meinem großen Projekt brachte. Ich wusste sehr wohl, dass ich ihm eine gute Lehrerin gewesen war, und ich wusste auch, dass ich mich auf Essen in all seinen Aspekten verstand. In mir reifte ein Plan heran, und als ich Pierre um seinen Rat bat, ließ er sich von meiner Begeisterung anstecken. Wir berieten uns mit Architekten und erstellten einen Geschäftsplan. Anstatt den Ostflügel nach alten Plänen wieder aufzubauen, wollten wir einen Neubau errichten, der meine Kochschule samt Unterkünften beherbergen sollte. Wir legten großen Wert darauf, dass das neue Gebäude sich in die Gesamtarchitektur einfügte, und kamen auf den Gedanken, es in das alte Gemäuer des Ostflügels zu integrieren. Nun, da alles langsam Gestalt annahm, begann ich mich zu fragen, warum ich nicht schon viel eher darauf gekommen war. Jahrelang hatte ich während der Sommermonate bis zu dreißig Leute zweimal am Tag bekocht – und das mit gerade einmal einer Küchenhilfe! Wie einfach würde es

Weitere Kostenlose Bücher