Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
Vom Netzwerk:
war? Vor … mir?«
    »Oh, ja, natürlich, das wusste ich. Aber ich wollte nicht ›von ihm wegkommen‹!«
    »Du wolltest diesem kalten, herzlosen Dreckskerl nicht entkommen?« Ich spürte leisen Zorn sich in mir regen.
    »So war er nicht«, sagte mein Bruder. »Überhaupt nicht. Er war ein wunderbarer Vater, fürsorglich, großzügig, liebevoll. Er … «
    An diesem Punkt brachte der Kellner meinen Jameson. Gutes Timing, denn ich musste mich ein wenig sammeln. Liebevoll, mein Vater? Fürsorglich? Ich hatte angenommen, er hätte seine Frau und seinen Sohn ähnlich mitleidslos behandelt wie mich. Ich war davon ausgegangen, dass Philip in einer Atmosphäre ständiger Bedrohung aufgewachsen sei und Judith ihren Gatten gefürchtet hatte.
    Ich kippte meinen Jameson und bestellte noch einen.
    »Es tut mir leid«, sagte Philip. Er entschuldigte sich für seine glückliche Kindheit. Dann holte er einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn mir.
    »Hier«, sagte er, »das sollst du haben.«
    Meine Hände begannen zu zittern. Endlich, ein Brief. Ein paar Worte der Erklärung. Oder vielleicht eine Entschuldigung? Die Wahrheit über meine Mutter? Vorn auf dem Umschlag stand nichts. Es war mir peinlich, wie sehr meine Hände zitterten, als ich danach griff.
    Ich riss den Umschlag auf und fand einen Scheck darin, unterschrieben von Philip; die Summe nahm ich gar nicht erst wahr.
    »Wir hätten all das teilen sollen«, stammelte Philip, »aber ich würde gern … Ich möchte … Wenn es noch nicht zu spät ist … «
    Ich steckte den Scheck wieder in den Umschlag und gab ihn ihm zurück. In diesem Augenblick, das muss ich gestehen, verspürte ich tatsächlich einen gewalttätigen Impuls in mir. Über das Ausmaß meines Zorns war ich selbst etwas schockiert. Ich wollte auf etwas einschlagen, beißen, um mich treten. Falls ich geglaubt hatte, die Hoffnung auf seine Vergebung wäre mit meinem Vater begraben worden, so hatte ich mich ganz offensichtlich getäuscht. Auf einmal fühlte ich mich seltsam schwerelos, losgelöst von allem, als könne jeden Augenblick etwas ganz Furchtbares geschehen. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Wieder hatte mein Vater mich zurückgewiesen, ein allerletztes Mal. Ich fühlte mich betrogen. Aber warum er ? Warum ausgerechnet Philip? Wie er da saß und mich ansah! So offen und arglos. Sein unschuldiges Gesicht schien auf Prügel nur zu warten.
    »All die Jahre hat er mir nichts gegeben, das über das gesetzliche Minimum hinausgegangen wäre.« Ich bemühte mich, mit ruhiger, fester Stimme zu sprechen. »Trotzdem habe ich mein Leben gemeistert. Ich. Ganz allein. Ich brauche kein Geld. Wie kommst du überhaupt darauf, dich bei mir, deinem unerwünschten Bruder, von deiner Schuld freikaufen zu wollen?« Ich standauf.
    »Aber nein, du verstehst mich falsch. Bitte setz dich wieder. Ich gebe es dir doch nicht, weil du es bräuchtest ! Es ist keine milde Gabe, es ist nur, was dir zusteht. Du hättest es schon viel eher bekommen sollen. Es gehört dir.«
    Meine Gedanken kehrten zu jenem Schrecklichen zurück, das ich vor vielen, vielen Jahren aus schierer Not und Verzweiflung getan hatte. Eine furchtbare, grauenvolle Tat, die mir nicht einmal in den Sinn gekommen wäre, hätte ich damals schon dieses Geld gehabt.
    »Es ist zu spät.«
    »Es tut mir leid, wenn ich taktlos war. Es sollte einfach eine Geste der Versöhnung sein. Ich wollte dir zeigen, dass ich bereit bin, alles mit dir zu teilen. Das wäre auch im Sinne meiner Mutter.«
    »Deine Mutter wusste, dass er mich im Stich gelassen hat, doch sie hat nichts unternommen.«
    Darauf wusste er nichts zu erwidern, wie auch. Aber stur wie er war, ließ er nicht locker.
    »Ich weiß, dass sich nicht wiedergutmachen lässt, was … was geschehen ist. Aber wir könnten … Ich könnte dir vielleicht helfen, es zu … verarbeiten. Verstehst du das denn nicht? Meine Mutter sähe es gern, wenn wir Freunde würden. Du bist schließlich nicht irgendwer, sondern mein Bruder , Himmelherrgott noch mal!«
    Ich sah, wie angespannt er war, wie durcheinander. Wie naiv von ihm zu glauben, mit einem Scheck und einem kleinen Plausch bei einer Tasse Tee ließe sich alles in Ordnung bringen. In welcher Fantasiewelt lebte er eigentlich? Ich musterte ihn. Es würde ein Leichtes sein, dem kleinen, perfekten Philip den Rest zu geben.
    » Himmelherrgott? Das ist nicht dein Ernst, Philip. Glaubst du wirklich, dein Herrgott würde so etwas geschehen lassen? Es gibt

Weitere Kostenlose Bücher