Die Suendenburg
es mit uns gekommen.«
Im Geiste lachte ich mir ins Fäustchen. Baldur kam als lebender Beweis daher, dass alles ohne Übertreibung stimmte, was ich Orendel gesagt hatte: Ein Tyrann hatte sich der Burg und des Landes bemächtigt. Baldurs Anklage kam mir sehr zustatten, doch durfte ich es nicht wagen, ihm die wahre Person des »Mönchs« an meiner Seite zu enthüllen. Baldur hätte Orendel für seine Zwecke benutzt, indem er ihn vor dem Herzog gegen Aistulf ausgespielt und ihn später auf irgendeine Weise kaltgestellt hätte, um Graf zu werden. Doch was hätte ich davon? Mir ging und geht es um etwas ganz anderes.
»Wenn ich es mir recht überlege«, sagte Baldur zögerlich, »könntest du mir einen Dienst erweisen.« Dass es sich dabei nicht um einen gewöhnlichen Dienst handelte, entnahm ich seiner Stimme. »Folge mir in die Scheune – wenn es dir nichts ausmacht.«
Kein Zweifel, er war auf mich angewiesen, sonst hätte er gegenüber einer Dienerin keine höflichen Floskeln gebraucht. Ich folgte Baldur zur Scheune und gab Orendel zu verstehen, auf mich zu warten.
»Bringst du den Mönch zur Gräfin?«, fragte Baldur, als er, das ungarische Aas und ich die Leiter hinauf in den Heuboden stiegen, wo auf drei mal drei Schritten sein ganzes Reich, seine Grafschaft lag: ein paar Decken, ein Zinnkrug, altes Brot, ein Kurzschwert.
Ich nickte.
»Gut, Bilhildis, ich … ich will nicht lange herumreden. Ich weiß, du bist deiner Herrin, der Gräfin, immer eine treue Dienerin gewesen, aber – aber Elicia warst du ebenfalls immer eine gute Amme, und daher … Wenn ich dich um etwas bitten würde, das Elicia nutzt und der Gräfin schadet, wie würdest du dich verhalten?«
Die Antwort darauf war einfach. Doch war es klug, mich Baldur zu offenbaren? Er war weder Freund noch Feind, er war ein kraftmeiernder Holzkopf, der sich in Ränkespielen versuchte und mich aus irgendeinem Grund, der mir noch nicht ersichtlich war, dafür einspannen wollte. Ich war unentschlossen. Um Zeit zu gewinnen, griff ich auf einen Kniff zurück, den nur Stumme nutzen können: Ich gab Baldur gestikulierend und krächzend eine Antwort, die er nicht verstehen konnte, weil es nichts zu verstehen gab. Ich vollführte irgendwelche Armbewegungen, die nur vortäuschten, eine Erwiderung zu sein, von denen ich jedoch selbst nicht wusste, was sie eigentlich bedeuteten. Ratlos und leicht angewidert sah Baldur mich an. Er tauschte einen Blick mit dem ungarischen Aas, aber das wusste auch nicht weiter.
»Heißt das, du könntest es dir vorstellen?«, fragte er.
Wieder vollführte ich wilde Gesten. Ich sah gewiss aus wie eine Marionette, an der ein Laie die Fäden zog.
»Ach so, aha.« Er räusperte sich. Vielleicht durchschaute er sogar meine Taktik, denn nach einem leichten Stoß, den ihm das ungarische Aas gab, wurde er deutlicher, was sein Vorhaben anging. »Vielleicht möchtest du mehr wissen, bevor du dich endgültig entscheidest, Bilhildis. Ich werde dir gegenüber offen sein, im Gegenzug erwarte ich deine Verschwiegenheit.«
Verschwiegenheit! Und das sagte er zu einer Stummen!
Ich nickte.
»Ich habe beim Herzog Anklage gegen die Gräfin erhoben, und zwar wegen des falschen Reinigungseides, den sie geleistet hat. Ihr Sohn ist ein Bastard. Er wurde über der Zeit geboren, war jedoch klein wie ein zu früh Geborener. Aistulf ist der Vater, das steht für mich fest. Wenn das vom herzoglichen Gericht bestätigt wird, dann …«
Baldur beendete den Satz nicht, den sich jeder zu Ende denken konnte: Dann stürzen Aistulf und Claire, dann werden sie des Ehebruchs und des Mordes für schuldig befunden, und der nächste Graf heißt Baldur. Ich vollendete den Satz jedoch in meinem Sinne: Dann hackt man der Gräfin drei Finger ab, aber vor allem reißt man ihr die Zunge heraus, so wie ich sie einst herausgerissen bekommen habe, und erst dann hetze ich Orendel gegen sie, um den Rest zu erledigen.
»Was ich brauche, um ganz sicher Erfolg zu haben, ist ein eindeutiger Beweis, der schwierig zu erbringen sein wird – oder jemanden, der glaubwürdig bezeugen kann, dass die Gräfin eine ehebrecherische Beziehung mit Aistulf führte. Wenn das geschieht, würde es ein Gottesurteil geben, die Gräfin müsste sich einer schweren Prüfung unterziehen, die sie vermutlich nicht bestehen würde. Und da dachte ich … dass du vielleicht … als enge Vertraute … etwas weißt. Falls es so wäre, soll es dein Schaden nicht sein, Bilhildis.«
Klug ausgedacht. Ein bisschen
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