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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Seiner Hoheit des Herzogs von Schwaben und Seiner Gnaden des Königs des Ostfränkischen Reiches. Ihre Treue soll Beispiel sein für tausend andere Leute.
    Verfasst und gezeichnet am zwölften Tag des April im Jahre des Herrn neunhundertzehnunddrei.
    »Ich wünschte, es wäre noch etwas feierlicher geraten, meine liebe Bilhildis, aber die wirklich guten Dinge im Leben lassen sich oft in einem einzigen Satz zusammenfassen, während die schlimmen Dinge viele Worte benötigen. So kurz der Brief auch sein mag, so bedeutungsvoll ist er. Das ist ein großer Augenblick für dich, Bilhildis. Vielleicht magst du ihn mit mir zusammen begehen. Bleibe die nächsten Tage bei mir auf der Burg. Orendel hat Raimund, und ich habe dich. Wollen wir es so machen?«
    Selbstverständlich. Wie könnte ich auch auf den Gedanken kommen wollen, die ersten Tage meiner Freiheit nicht mit der Kerkermeisterin zu verbringen, die mich fünf Jahrzehnte lang an sich gekettet hat. Das wäre ja völlig abwegig, nicht wahr?
    Sie ließ mich die drei rothaarigen Heulsusen rufen, welche Kelche mit Wein brachten. Die Gräfin nippte nur an ihrem Wein, wohingegen ich meinen Kelch im Nu austrank und auffüllen ließ. Drei Mal leerte ich ihn in einem Zug, bis mir der rote Rebensaft aus den Mundwinkeln tropfte. Die Gräfin blickte mich nachsichtig an und lachte.
    Ja, lach du nur, du ewig Verständnisvolle, die du nichts verstehst.
    Das Dokument liegt neben mir auf demselben wurmzerfressenen Tisch in demselben miefigen Gemach, in dem ich meine Tage bis zum nahen Ende fristen werde. Der Krug Wein, den die Gräfin mir spendierte, steht zur Hälfte geleert auf dem Freiheitsbrief und hinterlässt dort schöne rote Ringe. Solange ich noch schreiben kann, solange noch ein einziger Tropfen meines Blutes nicht ausgekotzt ist, gebe ich zu Protokoll: Das Ende der Agapiden. Warum mich auf Claire beschränken? Ausgerottet werden sie alle von mir mit Stumpf und Stiel. So wie Agapet der böse Geist des Krieges war, der meine geliebten Söhne in den Tod getrieben hat, so werde ich der böse Geist für sein Geschlecht sein. So mag eintreten, was die drei prophetischen Heulsusen bisweilen singen: Es ist ein Gesetz, dass der Strom des Bluts Blut wieder verlangt. Es fordert Unheil, das Unheil gebiert. Sie alle werden fallen, einer nach dem anderen, bis nur noch die kleinen Bastarde übrig sind, die man lebendig in der Erde versenken wird.

Malvin
    Vierzehn Wochen lang sprach ich Recht, wie ich es immer getan hatte. Nun ja, nicht ganz wie immer. Ich war ehebrecherischen Frauen gegenüber besonders nachsichtig und verweigerte den Ehemännern, die Strafe selbst zu bestimmen. Der eine wollte seine Frau mit der Rute züchtigen, bis ihr Rücken zerfurcht wäre wie eine Baumrinde, ein anderer wollte die Seine würgen bis kurz vor dem Tod und ein dritter mit einem glühenden Eisen seine Initialen in die Haut der treulosen Gemahlin einbrennen. Ich sagte ihnen, dass jemand, der sich solche Bestrafungen ausdenkt, eine schwer erkrankte Seele habe, die nur zu heilen sei, indem man sein ganzes Vermögen der Kirche überschreibe, ins Kloster eintrete und die Evangelien studiere, welche Milde predigen. Auf diese richterliche Rüge hin zogen sie ihre Anklagen zurück und beschränkten sich darauf, ihre Frauen grün und blau zu schlagen, was sie ohnehin schon immer getan hatten und wogegen ich machtlos war.
    Ausgenommen die Ehebrecherinnen, urteilte ich wie gewohnt über die Leute, wenn auch ohne Überzeugung. Ich war unwillig, mich wieder in den Alltag zu fügen, als sei nichts gewesen, und dachte unentwegt an Elicia. Mir war oft übel, ich verlor den Appetit, ernährte mich von Wein und Bier, schlief trotz Müdigkeit schlecht ein und verfluchte die Gedanken, von denen ich nicht lassen wollte.
    Ich weiß nicht, wie das mit mir weitergegangen wäre, wenn nicht der Herzog ohne Ankündigung nach Konstanz gekommen wäre. Er hatte den Winter in der Pfalz Reichenau verbracht, nur eine halbe Tagesreise von uns entfernt, und traf unter dem Vorwand, die Stadt zu inspizieren, überraschend ein. Der Schultheiß geriet in helle Aufregung, es wurden Glocken geläutet, die Wachmannschaft trat an, und sämtliche Würdenträger reihten sich in ihren besten Gewändern unter einer lauen Frühlingssonne auf dem Marktplatz aneinander. So auch ich. Als ich vom Schultheiß einem sichtlich gelangweilten Herzog vorgestellt wurde, veränderte sich dessen Blick, und ich begriff, dass er nur meinetwegen gekommen war.
    Die

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