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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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einen selbst geschriebenen Brief haltend. Nach dem Augenblick der ersten Freude, mich wiederzusehen, bemerkte er, dass etwas anders war als sonst, und ich übergab ihm den Brief.
    »Sofort?« Er öffnete mit zitternder Hand den Brief und las ihn. »Oh, Bilhildis, ist das wahr? Vater ist tot, ermordet von meiner Mutter und ihrem Buhlen?«
    Ich deutete auf die Zeile, in der stand, dass Elicia und die ganze Burg daran glauben, jedoch keinen Beweis haben, weil die Gräfin und ihr Buhle die Tat klug geplant und die Spuren verwischt hatten, und dass Elicia nun um ihr Leben fürchtete.
    Zu meiner Überraschung sagte er: »Nein. Nein, das kann nicht wahr sein. All die kleinen und größeren Bosheiten meiner Mutter, von denen du mir berichtet hast und die in ihren eigenen Briefen stehen, ja, an die muss ich glauben, und an die Selbstsucht und an den Buhlen und daran, dass sie Vater gehasst hat, ja, all das glaube ich. Ein bisschen kann ich Mutter sogar verstehen. Vater war hart und lieblos, er hat die Menschen schlecht behandelt, auch seine Kinder. Weißt du noch, wie er mich verprügelte, weil ich im Hufeisenwerfen schlechter war als die Kinder anderer edler Familien? Und wie er Elicia auslachte, als sie im Regen vom Fohlen fiel und mit dem Kopf hart auf dem Boden aufschlug? Mutter hat versucht, ihre Traurigkeit zu verbergen, aber ich habe sie ihr angemerkt. Doch dies … ein Mord … das schlimmste aller Verbrechen … und die Art und Weise … nein, Bilhildis … Und nun soll sie Elicia ans Leben wollen? Nein, ihr müsst euch irren. Die ganze Burg muss sich irren. Zu so etwas wäre die Frau, die ich gekannt habe, nicht fähig.«
    Armer Wicht. Seine Liebesverse hatten ihn verblödet. Wenn er wüsste, wozu Menschen, die wahrhaft lieben, fähig sind. Wenn er wüsste, dass die Lichtgestalt der Liebe, die in das Herz tritt, in ihren Händen unbemerkt eine Saat des Teufels mit sich trägt. Aber wie sollte er solches wissen, da er Jahr um Jahr, Monat um Monat, Tag um Tag in seinem Pferch hockte, allein, und die Welt sich so darstellte, wie er, ein neunzehnjähriger Barde, sie sich wünschte.
    Ich würde ihn schon noch überzeugen, sagte ich mir und ging nicht näher auf die Schuld der Gräfin ein. Ich überreichte ihm einen Zettel, auf dem stand, dass ich beschlossen hatte, ihn zu befreien, dass jedoch die Gräfin davon nichts erfahren dürfte.
    »Willst du es wirklich wagen, Bilhildis? Du bist eine so herzensgute Frau.«
    Ja, dachte ich. Ich und Salome sind herzensgute Frauen, die besten von allen.
    Ich schenkte den Bauersleuten alles, was sich in Orendels Pferch im Lauf der Jahre angesammelt hatte, machte ihnen eine Schlusszahlung, die Raimund zu hoch fand, und noch in derselben Stunde meiner Ankunft fuhren wir auf Raimunds Karren Richtung Heimat.
    »Sieh, Bilhildis, wie hoch die Vögel am Himmel fliegen … sieh, Bilhildis, wie das Gras wogt … sieh, Bilhildis, ein Herbstwald.«
    So ging es unentwegt, und während Orendel nach siebenjähriger Gefangenschaft die Welt wiederentdeckte, feilte ich im Stillen an meinem Plan. Als Raimund und ich einmal ungestört waren, fragte er: »Dir ist doch hoffentlich klar, dass wir ihn loswerden müssen? Wenn die Gräfin je erfährt, was wir die ganzen Jahre getan haben, ist es mit uns vorbei. Also bringen wir es hinter uns, verscharren ihn, und dann sagen wir, er hätte auf der Fahrt ein tödliches Fieber bekommen. Oder noch besser, er wäre wenige Tage vor unserer Ankunft bei den guten, braven Leuten, wo er untergebracht war, tragisch verstorben, von allen beweint. Wie hört sich das an?«
    Wie die Achse eines morschen Karrens. Ich gab Raimund mehr als eindeutig zu verstehen, dass, wenn er es wagen sollte, Orendel auch nur anzurühren, sein Schädel die Bekanntschaft mit einem Scheit machen würde und man dann sehen werde, welches Holz härter sei, das des Scheits oder das seines Kopfes.
    Er brummte in sich hinein und gab nach. (Ich mache mir wegen Raimund Sorgen, denn ich traue ihm zu, ohne mich zu handeln. Seine Ziele und meine sind anderer Art. Doch immerhin: Solange er an Orendel verdient, ist die Gefahr, dass er sich gegen mich stellt, nicht allzu groß, und vorläufig ist das der Fall, denn Raimund soll für Orendel das Gehöft in Sichtweite der Burg kaufen, es instand setzen und verwalten. Er wird einen guten Schnitt dabei machen, da bin ich mir sicher. Erst wenn Raimund den Braten riecht und den Plan, den ich habe, auch nur ahnt, werde ich ihn nicht mehr kontrollieren können, und

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