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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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zwischen Mutter und Tochter und flehten mich an, den ersten Schritt zur Beilegung des Streits zu tun. Und als ich das ablehnte, verkündeten sie düster, dass das kein gutes Ende nehmen würde. Seither haben sie ein neues Lied: Vorwurf erhebt sich rasch gegen Vorwurf, gefährlich wächst die Vergeltung, zorngemischt. Ich nehme das nicht allzu ernst; sie sind harmoniebedürftig und tragödiengeküsst, seit ihre Verlobten, Bilhildis ’ Söhne, in den Kriegen gestorben sind. In jedem nahenden Gewitter sehen sie den aufziehenden Untergang, und in der Nacht, als die Flut am höchsten stand, waren sie diejenigen, die in der Kapelle am eifrigsten sangen. Ich hörte ihre Stimmen aus dem Chor heraus bis zu mir in mein Gemach, in dem ich Malvin liebte.
    Mein Wohlwollen für Baldurs schwertrasselndes Gehabe bei der Besprechung war sehr begrenzt. Ich kann mich erinnern, dass mich dergleichen vor fünf Jahren beeindruckt hätte, als ich noch nicht erkannt hatte – oder als mir nicht wichtig gewesen war –, dass er nichts im Kopf hatte. Ich war damals siebzehn, ein Alter, in dem Muskeln, Brusthaare und ein markantes Lächeln die Welt bedeuten und die Zukunft etwas Ähnliches ist wie ein fernes Land: Man weiß, es existiert, aber es spielt überhaupt keine Rolle. Darüber, dass Baldur eines Tages Graf werden sollte, machte ich mir keinerlei Gedanken, zumal mein Vater mir unsterblich schien. Die Tuniken, die ich nähte, nähte ich für meinen Vater, nicht für Baldur. Heute ist Baldurs Anspruch auf den Grafentitel unsere einzige Gemeinsamkeit. Gerade deshalb verstand ich nicht, wie er uns mit seinem Verhalten derart schaden konnte. Daher stellte ich ihn zur Rede – und wurde von ihm verblüfft. Was wirklich nicht oft vorkommt.
    »Von jetzt an ist alles, was Aistulf tut oder lässt, allein seine Verantwortung. Wie er seine Truppe einsetzt, wofür er das Geld ausgibt, ob er lieber Sümpfe trockenlegt oder Rüstungen schmieden lässt – er entscheidet.«
    »Weißt du eigentlich, was uns dein kindischer Stolz kostet? Nur damit du Aistulfs Entscheidungen nicht mittragen musst, hast du uns auf den Status von Gästen degradiert.«
    »Das sind wir jetzt tatsächlich.«
    »Oh, das hast du schon gemerkt? Entschuldige bitte, ich hatte kurzzeitig vergessen, dass du eine schnelle Auffassungsgabe hast.«
    »Die habe ich tatsächlich. Die braucht man in der Schlacht.«
    Ich raufte mir die Haare. »Und was hast du dir gedacht, wie es weitergehen soll?«, rief ich, fest davon überzeugt, dass er nicht die geringste Vorstellung hatte.
    »Manchmal«, sagte er, »kann man die Tore einer Festung nicht aufbrechen. Sie sind zu gut befestigt, oder die Bogenschützen machen einem zu schaffen …«
    »Was du nicht sagst. Ich hatte schon immer einmal die Taktiken der Festungseroberung mit dir erläutern wollen, und das ist genau der richtige Moment dafür.«
    »Dann«, fuhr er unbeirrt fort, »muss man sich auf eine langwierige, im Winter ungemütliche Belagerung vor den Mauern einstellen. Man schläft in Zelten, man friert, die Nässe steigt in den Stiefeln auf, die Waffen rosten …«
    »Sprechen wir noch über dieselbe Angelegenheit, oder bilde ich mir diese Unterhaltung am Ende nur ein?«
    »Aber all das erträgt man in dem Wissen, dass man im Frühling sein Ziel erreicht haben, die weiße Fahne des Feindes steigen und die Zugbrücke vor sich sinken sehen wird.«
    Seine Angewohnheit, in Kriegsmetaphern zu reden, war mir immer schon lästig. »Und das bedeutet was, wenn man es in eine zivile – oder sollte ich sagen, zivilisierte – Sprache übersetzt?«
    »Dass wir uns damit abfinden müssen, im Moment nicht Herr der Geschehnisse zu sein, auch wenn uns das nicht passt.«
    »Und um diese Erkenntnis zu erlangen, musstest du dir sämtliche Weisheiten eines Veteranen in Erinnerung rufen? Das darf doch nicht wahr sein.«
    »Elicia, es geht darum, dass Aistulf sich nicht mehr auf meine Unterstützung berufen kann, wenn er seine Entscheidungen trifft.«
    »Und was ist daran so großartig?«
    »Dass er die falschen Entscheidungen trifft.«
    »Das ist eine Frage der Sichtweise.«
    »Und welche Sichtweise entscheidet letztendlich? Die des Herzogs. Burchard schickt seit Jahren ein Heer nach dem anderen in den Krieg, und nun kommt Aistulf daher und stellt ihm keine Truppe mehr oder nur noch eine kleine. Ein Graf kann wie jeder andere sein Geld nur ein Mal ausgeben, entweder hierfür oder dafür, entweder für den Krieg gegen die Mücken oder für den Krieg

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