Die Suendenburg
gegen die Ungarn. Nein, Elicia, das geht für Aistulf nicht gut aus, und dann bin ich da, der im Kamp f E rprobte, der Heidentöter.«
Baldurs selbst verliehene Adelstitel aus dem Reich des Krieges waren prahlerisch. Aber ich musste zugeben, dass er gar nicht so falschlag, was seine Einschätzung des Herzogs anging. Und sein merkwürdiger Plan war, soweit ich es beurteilen konnte, nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Der Herzog würde gewiss versuchen, Einfluss zu nehmen, und sich dafür auch Malvins bedienen.
Malvin: Unsere heimlichen Zusammenkünfte finden fast täglich statt, nun, wo Baldur mit seiner vielen Zeit glücklicherweise nichts anderes anzufangen weiß, als von morgens bis abends auszureiten oder auf Jagd zu gehen. Ich habe keine Ahnung, was genau er auf seinen Ausritten tut, meinetwegen kann er alle Wildschweine Schwabens erledigen oder sonst etwas mit ihnen machen, die Hauptsache ist, Malvin und ich können zusammen sein. Auch anderweitig werden wir nicht gestört. Ich bin innerhalb der Burg weitgehend abgeschnitten, und außer Bilhildis, die mich ein Mal am Tag besucht, und den drei F habe ich keine Getreuen. Diese Sonderung, das Fernbleiben von aller Geschäftigkeit der Burg, gehört zu Baldurs Plan.
Mein Plan heißt Malvin. Und dafür verabscheue ich mich. Malvin sollte nur das für mich sein: der Mann, den ich liebe. Doch wie schaffe ich es, den von mir geliebten Mann von dem anderen Mann gleichen Namens zu trennen, der den Mörder meines Vaters jagt und der meines Vaters Willen mit mir gemeinsam vollstreckt? Als ich Malvin erzählte, dass jemand in mein Gemach eingedrungen und drauf und dran gewesen war, mich umzubringen, tat mir seine ehrliche Sorge um mein Leben unsagbar gut, und ich war glücklich, weil er sich an mich hängte und sein Befinden mit dem meinen verknüpfte. Zugleich – und das fand ich grässlich – schwang in meinem Hinterkopf auch immer mit, dass mir dieses misslungene Attentat durchaus nutzte, wenn es darum ging, Malvin gegen Aistulf einzunehmen. Ich will Malvin nicht beeinflussen, das würde mir wie eine Verschmutzung dessen vorkommen, was wir füreinander empfinden. Doch ich komme nicht umhin, auf Malvin sehr weltliche Hoffnungen zu setzen, die ihm nicht entgehen. Und so kreisen, wenn wir uns zärtlich lieben, immer auch die zwei Fragen um unsere Leiber, ob er Aistulf davonkommen lässt und ob ich ihm das würde verzeihen können. So hat uns schließlich doch noch die Zukunft eingeholt, der wir anfangs so wunderbar entkamen.
In den vergangenen Stunden jedoch ist die Welt noch einmal eine andere geworden. Ich bin zwei Dingen auf die Spur gekommen, die mich seit einiger Zeit beunruhigen, ohne dass ich sie näher hätte beschreiben können. Die eine Erkenntnis betrifft diese seltsame Erinnerung an die fensterlose Kammer, in der ich meinen Vater stehen sehe. Ich nenne dieses Bild Erinnerung, nicht Traum, obwohl ich es zum ersten Mal während des Halbschlafs vor einigen Wochen sah. Seither sah ich es wiederholt vor mir, manchmal auch am Tage, während ich mich mit gewöhnlichen Tätigkeiten wie dem Weben beschäftigte. Wieder und wieder blitzte dieses Bild auf, und ich fragte mich, warum. Das ließ mir eine Zeit lang keine Ruhe, bis ich den Gedanken wieder vergaß. Meistens dauerte es nicht lange, und erneut kam mir diese Kammer in den Sinn. Ich wurde sie einfach nicht mehr los. Und heute Morgen nach dem Aufwachen wusste ich plötzlich, was es mit ihr auf sich hatte, dass sie kein Hirngespinst ist, nein, dass es diese Kammer in unserer Burg gibt und dass ihre Lage den Mord an meinem Vater in ein neues Licht rücken wird.
Die zweite Erkenntnis betrifft Malvin. Seit heute ist er nicht nur mein Liebhaber, mein innig Geliebter, er wird nicht nur der Rächer meines Vaters sein, sondern auch der Vater meines Kindes.
Ich bin guter Hoffnung. Ich spürte eine Veränderung meines Körpers schon vor Tagen, aber erst seit heute bin ich mir sicher. Ich wünschte, Malvin würde der Erste sein, dem ich es erzähle, aber vorhin sprach ich mit Bilhildis darüber. Sie glaubte, dass der Mann, den sie mir geschickt hat, der Vater sei, und da musste ich ihr die Wahrheit sagen. Wenn ich jemandem vertraue, dann ihr.
Was wird Malvin sagen? Und was wird dieses Kind aus uns machen? Wie wird Baldur reagieren? Obwohl er nicht ahnen kann, dass das Kind nicht von ihm ist, kommt es mir so vor, als wäre mein Geheimnis für alle offensichtlich, sogar für meinen Mann, der von sich selbst über alle Maßen
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