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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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bist dein halbes Leben in der Burg. Du weißt gewiss, wo sich der Gang befindet. Zeige ihn mir.«
    Sie zuckte nur mit den Achseln.
    »Wie du willst.« Ich nahm sie an der Hand und zerrte sie vor die Truhe. »Fällt es dir jetzt vielleicht wieder ein? Nein?«
    Ich öffnete die Falltür und gebot der Dienerin, vor mir die Treppe hinunterzusteigen. Ich nahm mir eine Fackel, und wir gingen den dunklen, engen Gang entlang bis in das Geheimgemach.
    »Du warst also noch nie hier?«, fragte ich.
    Sie stellte sich weiter dumm. Ich holte die Briefe hervor, die ich im Geheimgemach gefunden hatte.
    »Aber diese Korrespondenz ist dir bekannt, nicht wahr?«
    Sie warf einen flüchtigen Blick darauf und schüttelte den Kopf.
    »Lügnerin!«, schrie ich, und zwar nicht, weil ich die Fassung verlor. Ich wusste sehr gut, was ich tat, auch als ich mit der Faust auf den Tisch schlug. »Noch so eine Lüge, und ich lasse dich ins finsterste Loch werfen, bis dir die Wahrheit wieder einfällt. Haben wir uns verstanden?«
    Es gibt keinen besseren Weg, Leuten, die mich als zurückhaltend kennen, zu verdeutlichen, dass die Lage für sie ernst ist, als wilde Drohungen auszustoßen, und zwar in einem Tonfall, den sie von mir noch nie gehört haben. Ein solcher Schreck wirkt manchmal Wunder und führt dazu, dass sie mir das erzählen, was sie mir hätten verschweigen können.
    »Du bist neben Elicia, Aistulf und der Gräfin die einzige Bewohnerin der Burg, die lesen und schreiben kann. Der Empfänger dieser Briefe war Graf Agapet, der des Lesens unkundig war. Von wem hat er sie sich vorlesen lassen, wenn nicht von dir? Von Aistulf vielleicht? Du würdest mir doch nicht weismachen wollen, er hat seine Zeit in diesem Nacht- und Liebesgemach mit Aistulf verbracht? Mit der Gräfin? Wieso mit seiner Gemahlin in ein stickiges Geheimgemach verschwinden, wo beide so schöne Kemenaten haben? Über Elicia brauchen wir in diesem Zusammenhang nicht zu reden. Er war mit dir hier unten, mit niemandem sonst. Leugnest du das? Denk daran, was ich dir eben noch über Lügen und finstere Löcher sagte.«
    Sie sah mich eine Weile an, dann die Briefe, sie schätzte ab und entschied sich für die Wahrheit. Sie nickte.
    »Gut. Das war dein Glück. Weißt du, was ich hier in Händen halte? Es handelt sich um das Fragment eines Briefes, adressiert an den Herzog von Schwaben, eine Antwort auf einen der empfangenen Briefe, die jedoch nach vier Zeilen abgebrochen wurde. Ein paar Wörter wurden gestrichen. Offenbar hat Graf Agapet dir etwas diktiert, war mit seinen Formulierungen nicht zufrieden et cetera. Ich hätte nur diese Zeilen mit jenen in den Briefen, die du derzeit für deine Herrin schreibst, vergleichen müssen. Die Handschrift wäre dieselbe gewesen, vermute ich.«
    Sie nickte erneut.
    Was den Inhalt der Briefe anging, brauchte ich von Bilhildis keine Erläuterungen. Sie sprachen für sich. Fünf von sechs Briefen stammten vom Herzog. Er umwarb Graf Agapet und wollte sich seiner Loyalität versichern, für den Fall, dass es zu einem Zwist mit dem neuen König Konrad kommen würde. Der Herzog wollte unbedingt zusammen mit dem Herzog von Baiern einen großen Feldzug gegen die Ungarn – größer als die bisherigen – im kommenden Sommer durchführen, und er zählte dabei vor allem auf seine reichste und kampfstärkste Grafschaft. Der König lehnte einen so baldigen Feldzug ab, er wollte in Verhandlungen mit den Ungarn eintreten. Das war allgemein bekannt und wurde mir im sechsten Brief noch einmal bestätigt. Darin versuchte König Konrad, Agapet für sich zu gewinnen, und übersendete ihm als Zeichen seiner Gunst einige Geschenke.
    Noch etwas anderes war hochinteressant. Man konnte die Briefe des Herzogs mit einigem Recht verschwörerisch nennen – deswegen bewahrte Graf Agapet sie im Geheimgemach auf –, wenngleich er es vermieden hatte, allzu deutlich zu werden. Immerhin, sich jemandes Treue zu versichern, für den Fall, dass es zu einem »Zwist« mit dem König käme … Mir schien, als spiele der Herzog mit dem Gedanken, Schwaben vom Ostfränkischen Reich abzutrennen, ähnlich wie es die Burgunder im Westfränkischen Reich getan hatten. Wie auch immer, Agapets Lebenslauf, seine Einstellung zu Krieg und Kampf, sein grimmiges Verhalten gegenüber dem Boten des Königs und nicht zuletzt das Fragment eines Antwortbriefes an den Herzog ließen den Schluss zu, dass er deutlich dazu neigte, sich auf die Seite Burchards zu schlagen und im nächsten Jahr in einen

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