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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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großen Krieg gegen die Ungarn zu ziehen – der gewiss sehr teuer werden und die Ressourcen der Grafschaft stark beanspruchen würde. Einem wie Aistulf konnte das kaum verborgen geblieben sein, er war als Verweser eingebunden in die wirtschaftlichen Belange des Landes.
    »Hat Agapet dem König geantwortet? Hat er dir einen Brief an Konrad diktiert?«, fragte ich Bilhildis.
    Sie verneinte. Der König könnte also im Ungewissen geblieben sein, ob Agapet sich seiner Haltung anschließen würde. Doch was, wenn Aistulf seine Eindrücke dem König schriftlich berichtet hatte? Wenn er hatte durchblicken lassen, wie er über die Sache dachte? Wenn der König ihn daraufhin beauftragt hatte …? War so etwas denkbar? Die Majestät stiftet einen Verweser dazu an, den Graf zu töten? Ohne die Hilfe der reichsten Grafschaft würde der schwäbische Feldzug infrage stehen, und ohne die Schwaben werden die Baiern ebenfalls nicht nach Ungarn ziehen. Der König hätte seinen Willen durchgesetzt, das Königtum wäre gestärkt, die Landesherren wären geschwächt. Hatte der Mord am Ende einen politischen Hintergrund?
    All diese Feststellungen und Fragen sind nicht nur für den Mordfall wichtig. Ihre Bedeutung geht darüber hinaus. Ich würde mich – falls meine Vermutungen zutreffen – mitten in einer politischen Affäre befinden, und darin bewegt sich ein kleiner, unbewaffneter Mann, wie ich es bin, am besten wie in einem Wald voller Raubtiere.
    Ich war noch nicht mit Bilhildis fertig. Ihr war, was die Kenntnis und das Verfassen der Briefe anging, kein Vorwurf zu machen. Offenbar hatte Graf Agapet nicht genügend Vertrauen in Aistulf, um ihn in die Korrespondenz einzuweihen, und daher musste eine andere Person die Aufgabe übernehmen, die Briefe des Herzogs zu lesen und Antworten zu schreiben. So weit, so gut. Doch wieso übertrug er Bilhildis diese heikle Aufgabe? Gewiss, sie war schreibkundig und ihm seit vielen Jahren bekannt. Aber das war die Gräfin auch. Und falls er seiner Gemahlin misstraute, wieso weihte er ausgerechnet deren innigste Dienerin ein, von der er annehmen musste, sie würde ihrer Herrin verraten, was vor sich geht? Er hätte sich stattdessen an Elicia wenden können, denn das Verhältnis zueinander war gut, und Elicia kannte das Geheimgemach bereits, wenn auch aus der frühen Kinderzeit.
    Das alles war widersprüchlich, solange man davon ausging, dass Bilhildis nichts weiter als eine leibeigene Bedienstete war, die von Agapet in all den Jahren kaum wahrgenommen worden war. Es ergab jedoch einen Sinn, wenn man unterstellte, dass Bilhildis noch ein wenig mehr für den Graf tat, als Briefe zu schreiben.
    »Ihr habt beieinandergelegen.«
    Sie warf den Kopf zu mir herum, ihre Augen funkelten mich böse an.
    Ich schob ihr ein Blatt, Tinte und Feder über den Tisch zu. »Hier«, sagte ich, »schreib auf, was du dazu zu sagen hast.«

Bilhildis
    Agapet hat bei mir gelegen! Bei mir gelegen! Da kommt einer aus Konstanz dahergelaufen, so ein staubtrockener Gerichtsmensch, und sagt mir solche Sachen ins Gesicht, und das auch noch in einem hochmütigen Tonfall. Was versteht der schon von einem Leben wie meinem. Bei mir gelegen. Das ist, als würde er sagen, Flötenmusik ist das, was Mund und Hände tun, um sie zu erzeugen. Ich hätte ihm am liebsten seine verdammten Briefe oder meinetwegen auch seinen eigenen Schwanz in den Rachen gestopft, damit er mit seinen Kränkungen aufhört. Aber das ging ja nicht. Es ging ja nie, sich zu wehren. Nicht auf diese Art. Da kann ich Raimund schon verstehen, dass seine Rache darin besteht, den Herrschaften den Geldbeutel leichter zu machen, ohne dass sie es merken. Raimund ahnt nichts davon, er will nichts davon wissen, er glaubt, er stehle nur zu seinem Vorteil. Dabei ist das, was er tut, eine Form von Rache. Meine ist eine andere, eine unmittelbare, die härter trifft.
    Es begann – ja, fast auf den Tag genau – vor zweiundzwanzig Jahren, am Weihnachtstag des Jahres achthundertneunzig. Damals war ich noch nicht eine Dörrpflaume wie heute. Ich war nicht so schön wie die Gräfin, zugegeben, aber ich war ansehnlich. Solange ich den Mund hielt, konnte ich mit all den Mägden der Burg sehr wohl mithalten und vermochte, die Blicke fremder Männer anzuziehen. Es hätte sich mehr als eine Gelegenheit für ein Stelldichein im Stall ergeben. Doch daraus wurde nie etwas. Dass ich verheiratet war, störte die Männer dabei weniger als das Fehlen einer Zunge in meinem Mund. Zu zweit rührt es

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