Die Sündenheilerin (German Edition)
Reitern entgegen, das Schwert in der Rechten. Der Ruck hätte Lena fast vom Pferd geworfen, wenn sie sich nicht mit aller Kraft an Philip festgeklammert hätte. Sie schloss die Augen, verbarg ihr Gesicht an seinem Rücken.
Heilige Jungfrau, unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin, betete sie stumm, während Metall auf Metall schlug, sie jede einzelne Bewegung von Philips Körper spürte, die Kraft seines Armes, das Beben der Schultermuskeln. Ein kurzes Zusammenzucken. War er getroffen oder nur ausgewichen? Sie mochte nicht hinsehen, hielt sich einfach nur fest. Nein, er verlor nicht an Stärke, er war wohl nicht verletzt. Dann ein Schrei, der dumpfe Aufschlag eines Körpers auf den Boden. Ein zweiter Schrei, hinter ihr. Said kämpfte wohl ebenso gut wie sein Freund. Ein Pferd wieherte, Gebrüll, Flüche. Ein Mann riss sein Tier herum, sie hörte, wie er versuchte, durch das Dickicht zu entkommen. Ein letzter Schrei. Dann herrschte Stille. Nur langsam entspannten sich Philips Muskeln, und noch langsamer wagte sie vorsichtig die Augen zu öffnen und hinter ihm hervorzublicken.
Seine Hand strich erneut über ihre Hände.
»Es ist vorbei«, sagte er. »Drei sind tot, Hinnerk ist mit dem letzten Spießgesellen geflohen.«
»Hinnerk?«, wiederholte sie. Weniger um nachzufragen, sondern eher weil sie hören wollte, ob ihr die Stimme wieder gehorchte.
»Der Schwarzbart mit dem zerfetzten Kettenhemd.« Philip schob sein Schwert in die Scheide zurück. »Davongelaufene Bauernlümmel, die glauben, sie könnten kämpfen, wenn sie ein Schwert erbeuten. Zum Morden mag es reichen, aber nicht gegen uns.«
»Sie haben wohl nicht geglaubt, dass Ihr ein Ritter seid.« Gott sei Dank, ihre Stimme gehorchte ihr ohne jedes Zittern.
»Ich würde Euch gern eine Rast gönnen, Frau Helena, doch ist es besser, wir reiten unverzüglich weiter.«
»Ich lege keinen Wert auf eine Rast«, antwortete sie, froh, dass er nicht weiter über das blutige Gefecht sprach, sie nicht zwang, an das Töten zu denken und damit jene Bilder hervorzurufen, die sie immer noch quälten.
»Ihr seid eine tapfere Frau.«
»Es gehört keine Tapferkeit dazu, sich hinter einem breiten Rücken zu verstecken.«
Said hatte sein Pferd neben Philips Rappen gelenkt.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
Philip nickte.
»Und was ist das?« Der Araber deutete auf Philips rechten Oberarm. Da erst entdeckte Lena das Blut.
»Ihr seid verwundet!«, rief sie.
»Nur ein Kratzer. Ist bloß ärgerlich um das Hemd.«
»Deinen Ärger um Hemden kenne ich«, sagte Said und stieg vom Pferd. »Los, zeig her!«
»Wir sollten schleunigst von hier verschwinden.«
»Erst wenn ich weiß, dass es wirklich harmlos ist.«
»Du bist schlimmer als meine Mutter.« Widerwillig stieg Philip aus dem Sattel. Lena blieb auf dem Pferd sitzen und beobachtete, wie er sein Hemd auszog.
»Ein bisschen tief für einen Kratzer«, murmelte Said. »Wird aber glatt verheilen.«
Während Said die Wunde versorgte, konnte Lena nicht umhin, Philips nackten Oberkörper zu bewundern. War es in Ägypten üblich, sich die Brustbehaarung zu entfernen? Je länger sie ihn betrachtete, umso mehr gefiel ihr diese Sitte. Betonte sie doch seine wohlgeformten Muskeln, seinen makellosen Körper. Nein, nicht ganz makellos. Oberhalb seines Herzens entdeckte sie eine alte Narbe, an fast der gleichen Stelle, wo auch sie gezeichnet war. Vermutlich ein Schwerthieb wie bei ihr.
Philip zog sich wieder an, ohne ihre Blicke wahrzunehmen. Und wenn er sie wirklich bemerkt hätte, was hätte es schon ausgemacht? Dass er den Frauen zugetan war, hatte er nie zu verbergen versucht. So waren die Männer eben. Sogar ihr Bräutigam Martin. Lena seufzte.
»Ist Euch nicht wohl?«, fragte Philip, während er sich in den Sattel schwang.
»Es ist alles in Ordnung.«
Wie gut, dass er keine Gedanken lesen konnte.
»Dann haltet Euch fest.«
Philip trieb sein Pferd an, und Said schloss zu ihm auf.
Am frühen Nachmittag erreichten sie das Kloster. Natürlich war Schwester Margarita eine der Ersten, die ihre Ankunft bemerkte. Mit fliegenden Schleiern und wenig würdevoll lief sie Philips Pferd entgegen. Der war unterdessen aus dem Sattel gesprungen und half Lena beim Absteigen.
»Helena, Kind! Was ist geschehen?« Sie riss Lena in die Arme, erdrückte sie fast. »Wo ist Ludovika? Und wer sind diese Männer? Wie kommt es, dass du mit ihnen allein …«
»Ehrwürdige Schwester, verzeiht unser Eindringen
Weitere Kostenlose Bücher