Die Sündenheilerin (German Edition)
kostbares Juwel.« Said schüttelte seine Decke auf. Die Kammer, die der Fürst ihnen auf seiner Burg zugewiesen hatte, war beinahe so behaglich wie die auf Burg Birkenfeld, wenngleich das Licht nicht von teuren Wachskerzen, sondern von stark räuchernden Talglichtern gespendet wurde.
»Sie ist ein Juwel.« Philip zog die Stiefel aus.
»Oha.«
»Du hast doch die ganze Zeit gesagt, sie tue mir gut.«
»Du bist verliebt.«
»Ach was, ich finde sie einfach … nett.«
»Nett.« Said zog die Brauen hoch. »Du findest doch jede Frau nett.«
»Ich meine, ich finde sie ganz besonders nett.«
»Ach so, na dann. Findest du auch Schwester Margarita ganz besonders nett? Immerhin hat sie dich wie ein Juwel betrachtet.«
»Said, du bist blöd.«
»Weil ich die Wahrheit sage? Weil du Frau Helena anschaust wie ein Hund eine saftige Hammelkeule? Weil deine Augen, sobald ich ihren Namen ausspreche, so sehr strahlen, dass wir keine von diesen räuchernden Kerzen mehr bräuchten, um die Stube zu erleuchten?«
»Glaubst du, sie nähme jemanden wie mich?«
»Du hast bislang doch jede Frau bekommen, die du wolltest.«
»So meine ich es nicht. Ich meine, ob sie jemanden nähme, für den sie alles aufgeben müsste, was ihr lieb und teuer ist. Glaubst du, sie würde mich nach Alexandria begleiten?«
»Hat sie dir denn zu verstehen gegeben, dass sie dich mag?«
»Sie hat mich geküsst.«
»Wenn dir jede Frau, die dich jemals geküsst hat, folgen würde, hätten wir eine ganze Karawane im Schlepp.«
Philip griff nach seinem Stiefel und schleuderte ihn in Saids Richtung. Der Araber war schneller, duckte sich, und der Stiefel flog über ihn hinweg durch das geöffnete Fenster in den Burghof hinab. Dort unten schimpfte irgendwer laut los.
Said lachte laut. »Ich glaube, du hast dir gerade einen Feind gemacht.«
»Du bist wirklich saublöd!«, rief Philip und rannte aus der Kammer, um den Stiefel zurückzuholen.
Als er unten im Hof ankam, hatte sich schon eine Traube lachender Mägde um einen schimpfenden Alten geschart.
»Wenn ich den erwische! Dem Hundsfott zieh ich’s Fell über die Ohren und stopf ihn aus.«
»Entschuldigung, das ist meiner.« Philip war blitzschnell neben den zeternden Graukopf getreten und hatte ihm den Stiefel aus den Fingern gezogen.
»Den werd ich ausweiden wie einen Kapaun«, plusterte der Alte sich weiter vor den Mägden auf, ohne Philip richtig wahrzunehmen. Die Mägde kicherten. Erst jetzt bemerkte er, dass er den Stiefel gar nicht mehr in der Hand hielt.
»Mistkerl, dreckiger! Feiges Aas! Komm und kämpf mit mir wie ein Mann!«
»Vergebt mir, aber ich erhebe nicht die Hand gegen einen ehrwürdigen Greis.«
»Ehrwürdiger Greis? Dir geb ich gleich den Greis!« Irgendetwas schepperte hinter Philip her. Er war heute anscheinend nicht der Einzige, dessen Treffsicherheit zu wünschen übrig ließ.
»Na, hast du deinen Stiefel wieder?« Said lachte noch immer, als Philip in die Kammer zurückkam.
»Das ist alles deine Schuld. Du hättest nur nicht den Kopf wegzuziehen brauchen.«
»Dich hat es ja schlimm erwischt.« Said grinste. »Was hat sie getan, um dein Herz so sehr in Brand zu setzen?«
»Wie wäre es, wenn du für den Rest der Nacht einfach den Mund hieltest?«
»Oha. Das klingt nach einer baldigen Hochzeit und mindestens fünf Kindern.«
Philip wog den Stiefel in der Hand.
»Denk dran, das Fenster steht noch offen«, warnte Said. Lachend ließ Philip den Stiefel zu Boden fallen.
Am nächsten Morgen überredete Lena ihn, sie und Schwester Margarita zusammen mit Said vor die Tore der Burg zu begleiten, um die Marktstände zu besuchen, die in immer größerer Zahl um den abgesteckten Turnierplatz herum errichtet wurden. Said verzog das Gesicht, denn aus unerfindlichen Gründen hatte Schwester Margarita einen Narren an ihm gefressen und erzählte ihm ständig irgendwelche Begebenheiten aus ihrem Leben.
»Sei froh, dass sie dich nicht bekehren will«, flüsterte Philip ihm auf Arabisch zu.
»Sei du froh, dass ich keinen Stiefel in der Hand habe.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Lena.
»Er freut sich, dass Schwester Margarita ihm Gesellschaft leisten will.« Saids Tritt nahm er hin, ohne mit der Wimper zu zucken.
An diesem Tag waren noch längst nicht alle Händler eingetroffen. Aber die Putzmacher, Tuchhändler und Gürtler nutzten schon die Tage bis zum Beginn des Turniers, um Stoffe zu verkaufen und Bestellungen für Maßanfertigungen entgegenzunehmen.
Bei einem der
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