Die Sündenheilerin (German Edition)
Tuchhändler blieb Lena besonders lange stehen. Ein feiner hellgrüner Seidenstoff hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.
»Er stünde dir sehr gut«, sagte Philip. »Du solltest überhaupt viel hellere Farben tragen.«
»Das musst du gerade sagen. Obwohl das Schwarz dich trefflich kleidet.« Sie zwinkerte ihm neckisch zu, während sie die Stoffbahn um ihren Oberkörper drapierte, als wäre sie schon ein Kleid.
»Der Stoff ist wie für Euch gemacht, edle Dame. Er lässt Eure Augen strahlen wie Saphire. Und geradezu vollkommen wäre er, wenn Ihr diese Borte dazu wählen würdet.« Der Tuchhändler zeigte ihr einen königsblauen Besatz, der mit goldenen Mäandern bestickt war.
Auf einmal fühlte Philip sich fast wie daheim. Die einheimischen Händler verstanden das Schmeicheln offenbar ebenso gut wie die Könige der Basare.
»Ich weiß nicht recht, der Stoff ist doch sicher sehr teuer«, sagte Lena zögernd und zückte ihren Geldbeutel, um ihre Barschaft zu zählen.
»Wie viel?«, fragte Philip.
»Dieser Stoff ist von trefflicher Beschaffenheit, edler Herr, gewebt von der Hand reiner Jungfrauen jenseits der Alpen in den sonnigen Gefilden Italiens.«
»Wie viel?«, wiederholte Philip.
»Die Elle einen Silberdenar.«
Lena ließ ihren Geldbeutel sinken. Ein Blick in ihr Gesicht verriet Philip, dass dieser Preis alle ihre Mittel überstieg.
»Einen Silberdenar für eine Elle?«, fuhr er den Händler an. »Hat ihn etwa die Muttergottes persönlich gewebt, aus dem Haar der himmlischen Engel? Warum ist er dann nicht viel leuchtender und fein wie Daunen? Für einen Silberdenar gibst du mir fünf Ellen und noch zwei von der Borte dort.«
»Mein Herr, bei einem Silberdenar für die Elle mache ich schon Verlust.«
»Willst du mir Märchen erzählen? In meiner Heimat glänzen die Stoffe, als wären sie aus reinem Gold, in das man das Funkeln der Sterne gesponnen hat. Stoffe, die aus jeder Frau eine Königin machen, aus jeder Sklavin eine Sultanin. Aber niemand käme auf den Gedanken, derart unverschämte Preise zu verlangen.«
»Meine Kinder müssten hungern, wenn ich auf Euer Anerbieten einginge.«
»Vermutlich mästest du deine Kinder mit Honigkuchen und Spezereien – bei den Preisen, die du hier verlangst. Einen Silberdenar für vier Ellen und die Borte dort.«
»Drei Denare für drei Ellen und die Borte.«
»Glaubst du, ich hüte einen Strauch vom Baum des Reichtums in meinem Garten, an dem Denare wachsen, damit ich sie einem Gierschlund wie dir in den Rachen schleudere? Weißt du nicht, dass der Satan persönlich am Tor der Hölle auf die unlauteren Händler wartet, die ehrbare Männer um ihr Geld betrügen wollen?«
Der Händler starrte ihn mit offenem Mund an. Lena kicherte.
Am Schluss schlug Philip bei sechs Ellen Seidenstoff und zwei Ellen Borte für zwei Silberdenare ein. Mit finsterer Miene schnürte der Händler den Stoff zu einem handlichen Bündel zusammen und reichte es Lena, während Philip ihm die Silberstücke auf den Verkaufstisch legte.
»Ich weiß nicht, ob ich das einfach so annehmen kann«, sagte Lena so leise, dass der Händler sie nicht hören konnte. »Das ist ein sehr wertvolles Geschenk.«
»Es ist nichts im Vergleich zu dem, was du mir gegeben hast.«
»Trotzdem …« Sie senkte den Blick.
»Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Mein Temperament ist einfach mit mir durchgegangen. Meine Schwester hat mich immer gebeten, sie auf den Basar zu begleiten, weil sie zu schüchtern zum Feilschen ist. Das hat sie von unserem Vater. Der hat auch immer gleich gezahlt, was man von ihm verlangte.«
»Während du verhandelst wie ein orientalischer Rosshändler.«
»Ich bin ein orientalischer Rosshändler.« Philip grinste.
Etwas weiter entfernt hatte ein Schildmaler sein Zelt aufgeschlagen. Einige Ritter hatten ihre Schilde bei ihm abgegeben, damit er die Farben auffrischte und den Wappen vor dem Turnier neuen Glanz verlieh.
»Lass uns eine Weile zusehen«, bat Lena Philip und beobachtete, wie der Handwerker einen kunstvollen Greif mit einem kräftigen Rot ausmalte.
»Ich glaube, das ist das Wappen der Grafen von Hohnstein. Tante Margarita hat mir erzählt, dass das Turnier anlässlich der Verlobung von Fürst Leopolds Tochter mit dem ältesten Sohn des Hohnsteiner Grafen ausgerichtet wird.«
»Er muss ein wichtiger Bündnispartner sein, wenn ein Herzog seine Tochter einem Grafensohn gibt«, sagte Philip.
»Manche Menschen heiraten auch aus Liebe.« Die fremde Stimme riss Philip
Weitere Kostenlose Bücher