Die Sündenheilerin (German Edition)
genannt zu werden.«
»Er hat Euch also einen Auftrag gegeben?«
Der Maler schwieg.
»Ihr habt doch gesehen, dass ich gestern mit ihm gemeinsam Eure Kunst bewunderte. Darf ich seinen Schild sehen?«
»Ich sagte doch, nicht alle meine Kunden wünschen, dass ich ihre Schilde offen zeige.« Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust. Lena seufzte. Vermutlich brachten sie weiteres Bitten und Schmeicheln nicht weiter. Hätte sie doch nur gewusst, wo Philip steckte! Dann hätte sie ihn selbst fragen können.
Sie sah ihn auch am nächsten Tag nicht. Diesmal fehlte sogar sein Pferd im Stall, und Said wusste angeblich von nichts. Ebenso war es am dritten Tag. Hatten die Schatten ihn ergriffen? Nein, dann wäre Said nicht so guter Dinge gewesen. Vermutlich bereitete Philip sich nur auf das Turnier vor und wollte ungestört sein. Dennoch konnte sie nicht anders, als bei jedem Hufgeklapper, jedem Schritt, der über den Hof hallte, aus dem Fenster zu spähen, ob er es war.
»Du solltest ihm nicht zu sehr nachlaufen«, warnte Tante Margarita. »Er wird schon zu dir kommen, wenn es an der Zeit ist.«
»Morgen früh beginnt das Turnier. Und ich habe ihn seither kein einziges Mal zu Gesicht bekommen.«
»Dann wird er sich umso mehr freuen, dich zu sehen. Vor allem in deinem neuen Kleid. Du wirst alle Frauen beschämen. Keine ist so schön wie du, Lena. Nicht einmal die Tochter des Herzogs.«
»Was du nur redest!«
Tante Margarita lächelte. »Er ist ein stattliches Mannsbild. Ihr gäbt ein schönes Paar ab.«
»Wie kannst du so etwas sagen? Er wird nach Ägypten zurückkehren, sobald seine Aufgabe hier erfüllt ist.« Ihre eigenen Worte versetzten Lena einen Stich.
»Wer kann das schon wissen? War sein Vater nicht ein Kreuzritter, der der Liebe wegen in Ägypten blieb? Warum sollte sein Sohn nicht ebenso wie der Vater auf sein Herz hören? Zudem brächtest du einiges mit in die Ehe. Gut Eversbrück, dazu die Besitzungen, die einst Martin gehörten.«
»Das klingt, als wäre ich ein Handelsgut.«
»Oh, ich glaube nicht, dass ihm dein Besitz wichtig ist, Lena. Du bist es. Ich habe doch gesehen, wie er dich anhimmelte.«
»Und warum hat er sich dann in den letzten drei Tagen nicht blicken lassen? Ja, nicht einmal eine Nachricht für mich hinterlassen?«
»Du maulst herum, als wärst du tatsächlich ein unerfahrenes junges Ding. Nun hör schon auf! Morgen wirst du ihn sehen. Ich habe seinen Namen auf der Turnierliste entdeckt. Er wird für Halberstadt reiten.«
Lena nickte. Sie hatte die Listen auch gesehen.
In der letzten Nacht vor Beginn des Turniers hatten die Knechte die Tribüne, die vor dem abgegrenzten Kampfplatz errichtet worden war, mit bunten Fahnen und Stoffbahnen geschmückt.
»Ist das nicht herrlich?« Schwester Margarita klatschte in die Hände. »Lass uns sehen, dass wir möglichst gute Plätze bekommen! Und pass auf, dass du dein Kleid nicht zerdrückst.«
Lena nickte und richtete noch einmal ihr Schapel. Tante Margarita hatte ihr am frühen Morgen stundenlang das Haar geflochten und es so geschickt mit dem durchscheinenden Schleier verhüllt, dass seine Fülle reizvoller zur Geltung kam, als wäre es unbedeckt gewesen.
»Und hier, nimm dies! Verlier es nur nicht.« Ihre Tante drückte ihr ein Band aus grünem Stoff in die Hand. Lena erkannte sofort, dass es aus dem Verschnitt ihres Kleides gefertigt war. Fragend sah sie ihre Tante an, doch die lächelte nur.
Sie stiegen die Holzstufen zur Tribüne hinauf. Überall lagen Kissen und Decken auf den hölzernen Bänken. Schwester Margarita drängte ganz nach vorn. Lena zögerte. Die erste Reihe war der herzoglichen Familie vorbehalten. Noch war der Fürst nicht eingetroffen, aber ringsum saßen schon einige der älteren Männer, die sich nicht mehr am Spektakel beteiligten, sowie viele Damen. Lena kannte kaum jemanden und wollte sich eben in die dritte Reihe setzen, als sie von einer blütenbekränzten Jungfer mit herrlichem braunem Haar angesprochen wurde.
»Wie schön Euer Kleid ist, Frau Helena.« Lenas Wangen wurden heiß. Es war Mechthild, die Tochter des Fürsten.
»Mein Verlobter hat mich gebeten, Euch einen Platz an meiner Seite frei zu halten.«
»Ich danke Euch, Fräulein Mechthild. Für die Ehre und das Kompliment. Doch nichts vermag Eure Schönheit zu überstrahlen.«
Mechthild senkte verlegen die Lider und strich über den burgunderroten Stoff ihrer Robe.
»Womit habe ich die Ehre verdient, an Eurer Seite sitzen zu dürfen?«, fragte
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