Die Sündenheilerin (German Edition)
Helena! Er muss sich seiner Vergangenheit stellen. Ich danke Allah, dass er in seiner Güte Schwester Margarita schickte, um Philip zu zwingen, endlich das zu tun, was notwendig ist.«
»Notwendig? Was, wenn er unterliegt? Wäre dann nicht alles noch viel schlimmer?«
»Es ist nicht wichtig, ob er siegt oder unterliegt. Es ist wichtig, dass er in voller Rüstung in die Schranken reitet. Nur dann kann ich hoffen, dass der wunderbare Mann, der er einmal war, nicht an jenem Tag starb, als er seinen Vater verlor.«
»Er ist immer noch ein wunderbarer Mann«, widersprach Lena. »Besser als die meisten anderen.«
Said nickte. »Das ist er. Aber die Schatten jagen ihn weiter. Ich habe Angst, dass er in die Dunkelheit zurückfällt. Ihr habt ihn nicht erlebt, als seine Seele tot war. Ich würde sterben, um sein Leben zu retten, aber in jenen Monaten dachte ich, es wäre eine Erlösung, wenn Allah ihn zu sich riefe.« Said atmete tief durch. »Es geht nicht um Ulf von Regenstein. Philip muss die Stärke finden, wieder ein Turnier zu reiten. Genau das hätte sein Vater gewollt. Nur dann wird er den Schatten endgültig besiegen.«
Lenas Herz krampfte sich zusammen. Alles, was Said sagte, klang schlüssig. Aber welch eine Qual für Philip, sich all dem noch einmal stellen zu müssen!
»Sagt mir, wo ich ihn finde. Ist er beim Schildmaler?«
»Ich weiß es nicht. Bitte, Frau Helena, redet es ihm nicht aus!«
»Ich glaube nicht, dass ich ihm irgendetwas ausreden könnte, selbst wenn ich es wollte. Aber wenn er sich einen Schild machen lässt, der eines Ritters Gawan würdig ist, dann braucht er auch eine Dame, für deren Ehre er streiten kann. Eine, die ihm die Kraft gibt zu siegen.«
Sie versuchte ein Lächeln, und es gelang.
»Er könnte keine Würdigere finden.« Said lächelte nicht, aber in seinen Augen leuchtete aufrechte Anerkennung.
Sie fand Philip weder beim Schildmaler noch in der Burg. Auch nicht auf dem Markt. Niemand hatte ihn gesehen. War er ausgeritten? Sie ging in den Stall. Nein, sein Wallach stand neben Saids Fuchs und steckte zufrieden die Nase in den Hafer.
Um sich abzulenken, suchte sie die Näherinnen auf, denen sie den grünen Seidenstoff anvertraut hatte. Ihr Kleid nahm schon Form an. Nicht so übertrieben wie die Roben, die Gräfin Elise getragen hatte, sondern vom gleichen Schnitt wie die Gewänder, die die Damen auf den Buchmalereien im Parzival getragen hatten. Ob es wohl zu gewagt wäre, wenn sie ihr Gebände für den großen Tag gegen einen dünnen Schleier vertauschte, unter dem ihr Haar zu erahnen war?
Sie fragte Tante Margarita.
»Sehr gut«, sagte die Nonne. »Aber dazu brauchst du noch ein passendes Schapel. Komm, ich habe einen Putzmacher auf dem Markt gesehen, der wird dir alle Ehre machen.«
Schwester Margaritas Tatkraft war einzigartig. Flinker als ein Wiesel huschte sie zwischen den Marktständen umher, feilschte beinahe so gut wie Philip und ließ nicht eher Gnade walten, bis sie ein außergewöhnliches Schapel aus versilberten Blütenranken und goldfarbenen Rosen erstanden hatte, das einer Königin angemessen gewesen wäre. Dazu suchte sie einen hauchzarten hellgrünen Schleier aus, unter dem Lenas langes blondes Haar auf schickliche Weise zur Geltung kam.
»Du bist zwar Witwe«, sagte sie, »aber eigentlich auch nicht, schließlich starb dein Bräutigam, ehe er die Ehe vollziehen konnte. Da kannst du ruhig noch etwas von der Verspieltheit einer Jungfer zeigen.«
Lena errötete. Konnte Tante Margarita sich nicht einfach nur ihren Teil denken, anstatt es in Gegenwart des Tuchhändlers auszuplaudern?
Lenas Blick flog zum Zelt des Schildmalers hinüber. Ob Philip dort tatsächlich etwas in Auftrag gegeben hatte? Während der Tuchhändler noch die Ware einpackte und Tante Margarita ihm das Geld auf den Tresen zählte, schlenderte Lena um das Zelt herum und betrachtete die verschiedenen Wappen, die dort ausgestellt waren. Die drei Birken suchte sie vergebens. Natürlich nicht, Philip würde seine Abkunft bestimmt nicht ohne guten Grund verraten, schon gar nicht, da seine Anklage gegen Dietmar noch ausstand.
»Sucht Ihr etwas Bestimmtes, edle Dame?«
Die Frage des Schildmachers brachte Lena in Verlegenheit.
»Nein, ich … ähm …« Sie schluckte und ärgerte sich über sich selbst. Warum stammelte sie so, als hätte er sie bei etwas Verbotenem ertappt?
»Sagt, hat Philip Aegypticus einen Schild bei Euch in Auftrag gegeben?«
»Nicht alle meine Kunden wünschen mit Namen
Weitere Kostenlose Bücher