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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Johann?«
    »Nein, der Henker versteht sein Geschäft. Ein schneller Schlag, dann ist alles vorbei. Nicht schlimmer als beim Schlachtfest.«
    Lena atmete tief durch und umfasste Philips Hand noch fester. Er kämpfte gegen das Bedürfnis an, einfach aufzustehen und mit ihr fortzugehen, fort von diesem Ort, wo sie nur wieder Tod und Schrecken erleben musste. Doch zugleich wusste er, dass Lena ihm das nie verziehen hätte. Warum wollte sie unbedingt der Hinrichtung beiwohnen? Ging es ihr nur darum, sich den Geistern der Vergangenheit zu stellen, oder fürchtete sie, vor Mechthild das Gesicht zu verlieren? Die Fürstentochter jedenfalls schien dem bevorstehenden grausigen Ereignis mit Fassung entgegenzusehen. Es kam Philip sogar so vor, als suche sie nur einen Vorwand, sich schutzsuchend an ihren Verlobten zu schmiegen.
    Der Platz um die Richtstätte füllte sich schnell. Zu Hunderten waren die Menschen herbeigeeilt, um Barbarossas Tod beizuwohnen. Die Zuschauer in der vordersten Reihe hatten sich schon in der Nacht eingefunden, um die besten Plätze zu ergattern. Niemand wollte sich das Spektakel entgehen lassen.
    Bis auf einen. Said hatte sich geweigert, Philip und Lena zu begleiten.
    »Für mich ist da kein Platz«, hatte der Araber gesagt. Philip war sich nicht sicher, ob Said damit die Hinrichtung oder die Ehrentribüne meinte, aber er hatte nicht nachgefragt. Lena war dringender auf seinen Beistand angewiesen.
    »Wie sind die Hinrichtungen in Ägypten?«, fragte Mechthild Philip auf ihre arglose Art. »So wie hier?«
    »Am Schluss ist der Delinquent tot«, antwortete Philip knapp.
    Die Fürstentochter musterte ihn verwirrt. »Ja, das dachte ich mir. Ich meinte nur, wie …« Sie brach ab, als sie seinen Gesichtsausdruck wahrnahm. »Verzeiht, es war wohl ungebührlich, Euch zu fragen, oder?«
    »Unsere Damen halten sich für gewöhnlich von solchen Orten fern«, bestätigte Philip.
    »Ich dachte, das seien nur die Muselmanen, die ihre Weiber einschließen«, mischte sich Johann ein. »Hier hat jeder das Recht, dabei zu sein, wenn Gottes Ordnung wiederhergestellt wird, gleichgültig, ob Mann oder Weib.«
    »Und wenn ein elender Schurke wie dieser sein Leben aushaucht, ist es auch die Pflicht eines jeden Weibes, dabei zu sein!«, rief Schwester Margarita. Lena zuckte zusammen. Ihre Hände waren eiskalt geworden. War es die Schuld der Nonne, dass sie sich dieser Tortur aussetzte?
    »Für eine ehrwürdige Nonne sprecht Ihr sehr unversöhnlich, Schwester Margarita.«
    »Der Sünder soll gereinigt werden, indem er selbst erleide, was er anderen antat. Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Die Nonne bekreuzigte sich »Vergeben können wir ihm danach immer noch.«
    Plötzlich kam Unruhe auf. Die Menschen rings um den Richtplatz reckten die Köpfe, das Gemurmel wurde immer lauter.
    »Dort kommt der Schinderkarren!«, rief Margarita. »Endlich! Lange genug hat er uns warten lassen.«
    Mechthild stieß einen kleinen Schrei aus, den Philip nicht deuten konnte. War es Angst oder Begeisterung? Lena hingegen blieb ganz still, und während alle anderen die Hälse verrenkten, um einen Blick auf den Todgeweihten zu werfen, machte sie sich ein Stück kleiner. Schicklichkeit hin oder her, jetzt legte Philip doch den Arm um sie. Sollten die Leute ruhig reden, sie war seine Braut, es war sein gutes Recht, ihr in dieser Stunde beizustehen.
    Stolz war er, der alte Rotbart. Hocherhobenen Hauptes stieg er vom Wagen und erklomm das Blutgerüst. Würdigte die Menge keines Blickes, die johlend und grölend seinen Tod herbeischrie. Er wehrte sich nicht, als der Henker ihn hieß, den Kopf auf den Richtblock zu legen. Man konnte über ihn sagen, was man wollte, doch seine Würde bewahrte er bis zum Schluss.
    Als der Henker das Beil hob, ertappte Philip sich dabei, wie er in der geifernden Menge nach Thea Ausschau hielt. Erleichtert stellte er fest, dass er ihren leuchtenden Haarschopf nirgends entdecken konnte. Da erst wurde ihm bewusst, dass er bis zuletzt befürchtet hatte, Thea könne eine Waghalsigkeit planen, um ihren Vater zu retten.
    Der Hieb des Beils durchtrennte Barbarossas Hals und schlug dann ins Holz ein. Lena fuhr zusammen und vergrub das Gesicht an Philips Brust, sah nicht, wie der Henker das blutige Haupt hochhob und den jubelnden Menschen entgegenhielt.
    »Es ist vorbei«, flüsterte Philip und streichelte ihr über den Rücken. »Du kannst die Augen wieder öffnen.«
    Sie sagte kein Wort, drückte das Gesicht weiterhin an sein Hemd.

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