Die Sündenheilerin (German Edition)
zurückkehren?«
»Doch, wenn alles vorüber ist, im nächsten Frühjahr. Ich habe dir versprochen, dass du Sophia zur Frau bekommst, und ich werde mein Wort halten. Aber danach werde ich in dieses Land zurückkehren.«
»Nein!« Alle Farbe war aus Saids Gesicht gewichen. »Das ist nicht dein Ernst. Das kann nicht dein Ernst sein!« Er packte Philip bei den Oberarmen, schüttelte ihn. »Du gehörst nicht hierher. Du bist wie ich, du gehörst dorthin, wo die Sonne im Nil badet, dorthin, wo die Menschen voller Feuer und Leidenschaft sind, nicht so kühl wie hier. Außerdem kannst du deinem Großvater so etwas nicht antun. Und schon gar nicht deiner Mutter. Was soll aus ihnen werden, wenn du fort bist?«
»Du wirst bei ihnen sein, Said.«
»Das ist nicht dasselbe! Sie brauchen dich, Philip. Nur dich.«
»Ohne dich wäre ich mehr als einmal gestorben, Said. Ich habe dir versprochen, nie mehr in die Finsternis zu fallen, aber alles hat seinen Preis. Ich kann mich nicht länger meiner Verantwortung entziehen. Mein Vater hat es lange genug getan. Ich habe die Pflicht, sein Erbe anzutreten.«
»Du hast die Pflicht, für deine Familie zu sorgen!«, schrie Said. »Jetzt mehr denn je!«
Philip nickte. »Das tue ich. Meine Schwester wird den besten Mann bekommen, meine Mutter den besten Schwiegersohn. Für meine ägyptische Familie ist gesorgt.«
»Und was ist mit mir? Willst du das Band für immer zerreißen, das wir vor so vielen Jahren geknüpft haben?«
»Nichts wird unsere Freundschaft jemals zerstören.« Philips Stimme war leise geworden. Er hatte das feuchte Schimmern in Saids Augen gesehen und spürte selbst ein unangenehmes Brennen hinter den Lidern. Er blinzelte es fort.
»Bitte, lass uns damit aufhören, Said. Noch liegt der Zeitpunkt fern.«
Der Araber atmete tief durch. Nur langsam lösten sich seine Hände von Philips Armen.
»Wann will der Fürst gegen Birkenfeld ziehen?«, fragte er dann.
»Er will nicht allzu lange warten«, antwortete Philip, dankbar, dass Said so schnell einlenkte. »Wenn die Vasallen ihre Männer zusammengerufen haben, soll es losgehen. Zunächst will er einfach nur seine Stärke unter Beweis stellen. Vielleicht gibt Dietmar nach. Und wenn nicht … Johann meinte, die letzte Belagerung, von der er hörte, habe sieben Monate gedauert.«
Auf einmal lachte Said.
»Was ist so komisch?«
»Vielleicht wäre es am besten, sie belagern die Burg jahrelang und lassen am Ende nur noch Schutt und Asche übrig. Dann bleibt nichts mehr, das dich noch hier hält.«
Philip antwortete nicht. Im tiefsten Winkel seines Herzens ertappte er sich dabei, wie er Said recht gab.
In den nächsten Tagen beobachtete Philip erstaunt, welche Betriebsamkeit die geplante Belagerung Birkenfelds auf Burg Schlanstedt auslöste. Vor allem unter den Frauen. Fast schien es ihm, als hielten sie die Belagerung für eine Fortsetzung des Turniers. Ein großes Volksfest. Mechthild überlegte schon, welche Kleider sie mitnehmen sollte, und hatte Lena und Schwester Margarita eingeladen, das Zelt mit ihr zu teilen. Dass die Nonne begeistert war, verwunderte Philip nicht. Aber Lena? Er wollte sie nicht auf dem Schlachtfeld haben, doch als er es ihr sagte, stieß er auf heftigen Widerstand. Natürlich würde sie den Tross begleiten und Mechthilds Gastfreundschaft genießen. Auf keinen Fall könne er erwarten, dass sie allein zurückbleibe und sich monatelang in Sorge um ihn verzehre. Als Schwester Margarita sich auch noch einmischte, trat er den Rückzug an. War es wirklich eine Ungeheuerlichkeit, von einer Frau zu verlangen, in vertrauter Sicherheit zu warten? Er erkannte, wie wenig er der Denkart der hiesigen Menschen zu folgen vermochte.
Am deutlichsten wurde ihm das, wenn er mit Johann zusammen war. Der Hohnsteiner sah keinen Widerspruch darin, mit Philip über Kampf und Tod zu sprechen und im nächsten Moment drei verschiedenfarbige Stoffstücke hervorzuziehen und ihn zu fragen, welche Farbe er für das Hochzeitsgewand bevorzugen würde, denn Mechthild wolle ihren Schneider mit ins Feldlager nehmen. Auf den Gedanken, Mechthild samt Schneider in der sicheren Burg zurückzulassen, kam Johann gar nicht. Und als Philip ihn danach fragte, musterte der Hohnsteiner ihn genauso verdutzt wie damals, als Philip ihm erzählt hatte, dass er selbst die Pferde seines Großvaters auf den Pferdemärkten in Alexandria und Kairo verkaufe. War es tatsächlich verachtenswerter, mit Pferden zu handeln, als die Frau, die man liebte, den
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