Die Sündenheilerin (German Edition)
berührten. Sie roch nach Wald und Regen, aber da war noch ein anderer Duft, ein Hauch von Rosenöl. Woher mochte sie eine derart kostbare Essenz nur haben? Vermutlich war der Raub in dieser Gegend doch einträglicher als gedacht.
»Ja, das hatte ich.«
»Und warum hast du mich dann laufen lassen?«
»Du warst so bezaubernd in deiner Angst.« Sie grinste. »Glaubst du, ich hätte es nicht gesehen? Und doch warst du weder feige noch dumm. Du hast die einzige Möglichkeit wahrgenommen, und ich zolle tapferen Männern gern Respekt. Vor allem, wenn sie auch noch hübsch sind.«
Ihre Lippen waren weich und warm, ihre Hände strichen ihm gierig und doch zärtlich über den Leib, öffneten seine Kleidung mit einer Geschicklichkeit, die ihm verriet, dass sie nicht zum ersten Mal einen Mann auszog. Wie viele Männer hatte sie wohl schon in ihren Fängen gehabt? Ob jene wohl alle überlebt hatten? Bei dem Gedanken daran lächelte er. Was für eine Frau. Sie wusste genau, wie sie einen Mann zu ihrer willenlosen Beute machte. Eine Weile ließ er ihr die Führung, genoss das Spiel aus Macht und Unterwerfung, ehe er selbst die Herrschaft übernahm und auf jede ihrer Regungen achtete, um ihre geheimsten Sehnsüchte zu erfüllen. Mal fauchte sie wie eine Löwin, dann schnurrte sie wieder wie ein Kätzchen. Nie zuvor hatte er eine solche Frau besessen, wunderschön und stark zugleich, doch immer in Gefahr, von ihren Krallen zerrissen zu werden.
Als der wilde Rausch verflogen war, schmiegte sie sich eng an ihn, fast so, als genieße sie seine Stärke und seinen Schutz. Ihre Rechte glitt sanft über seinen bloßen Oberkörper und hielt an einer alten Narbe knapp über seinem Herzen inne.
»Du hast schon manchen Kampf bestanden, nicht wahr?« Ihre katzenhaften Augen funkelten ihn liebevoll an. Er legte seine Hand über die ihre.
»Eine jugendliche Dummheit, mehr nicht.«
Im Prasseln des Herdfeuers verloren sich seine Gedanken. Neunzehn Jahre war er alt gewesen. Der alte Kadir … Lange hatte er nicht mehr an ihn gedacht. Ein wunderlicher alter Mann, der völlig allein lebte und den viele einen Narren schalten. Doch er hatte ihn geliebt, fast so sehr wie seinen eigenen Großvater. Ein alter Mann, der wundersame Geschichten zu berichten wusste, von geheimen Wissenschaften sprach, für die ihn andere verlachten. Philip hatte ihn niemals belächelt, und vielleicht war das der Grund, warum Kadir ihm kurz vor seinem Tode etwas anvertraute. Das geheime Buch des Wissens, das niemals in die falschen Hände fallen sollte.
Er hatte nicht gewusst, dass Kadir einen Sohn hatte. Noch weniger ahnte er, dass dieser eine Sünde darin sah, wenn ein Muslim einem Christen vor seinem Tod ein Geschenk machte.
Er starrte in die Flammen und sah wieder die Schatten, die sich aus der dunklen Gasse näherten, hörte die Stimmen, die ihn einen Ungläubigen nannten und seinen Tod forderten. Das Sirren der Säbel. Metall, das auf Metall schlägt. Drei gegen einen. Seine Klinge, die zum ersten Mal einen Menschen tötet. Schreie, ein scharfer Schmerz in der Brust, der ihn zu Boden reißt. Ein bärtiges Gesicht über ihm, hassverzerrt, der erhobene Säbel bereit zum Todesstoß. Plötzlich sinkt die tödliche Waffe kraftlos nieder, Blut strömt aus dem Mund des Gegners. Hinter ihm steht Said, blass, die Klinge rot vom Blut des Feindes.
Für alle Ewigkeiten würde ihn die Narbe an den Tag erinnern, da er und sein bester Freund zum ersten Mal Menschenblut vergossen hatten.
»Erzähl mir davon.« Theas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
»Von meiner Dummheit? Da gibt es nicht viel zu erzählen.« Er beugte sich über sie und verschloss ihre Lippen mit einem Kuss, der sie jede weitere Frage vergessen ließ.
5. Kapitel
P ochende Kopfschmerzen, ein Schädel, der schier zu platzen drohte. Mühsam rappelte Lena sich auf, stieg aus dem Bett und öffnete den Fensterladen. Der Himmel war grau verhangen, der Wind sprühte ihr leichten Nieselregen ins Gesicht. Sie atmete tief durch, hoffte, den stechenden Schmerz zu besiegen, der ihr die Augen aus den Höhlen drücken wollte. Übel war ihr, sie kämpfte dagegen an, wollte sich nicht übergeben und sehnte es doch als Erleichterung herbei, die niemals eintrat. Sie schüttete etwas Wasser in die Waschschüssel und besprengte sich die Stirn. Die Kühle tat ihr gut, doch das Pochen blieb. Ebenso das Unwohlsein.
Der gestrige Tag war grauenvoll gewesen. Sie hatte sich bemüht, Elise zu verstehen, ihr Kraft und
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