Die Sündenheilerin (German Edition)
eigentlich tat, ging er ihr nach und trat leise durch die angelehnte Tür in die Küche. Eine der Mägde schöpfte aus einem Bottich Milch in einen kleinen Krug, den Helena in Händen hielt, die Lippen fest zusammengekniffen, als würde sie eine bittere Erkenntnis hinunterschlucken.
»Wollt Ihr auch Honig, Frau Helena?«, fragte die Magd.
Die Angesprochene nickte. Er erkannte den Versuch eines Lächelns, doch so recht gelang es ihr nicht. Leise schloss er die Tür hinter sich. Da erst wurden sich die beiden Frauen seiner Gegenwart bewusst. Die Augen der Magd leuchteten. Sie hatte ihm heute schon ein paarmal zugelächelt. »Habt Ihr einen Wunsch?«
Einen Wunsch? Wenn er nichts sagte, würde er wie ein Eindringling erscheinen.
»Ich hätte auch gern einen Krug Milch«, sagte er und versuchte seine Verlegenheit zu überspielen.
Die Magd nickte, füllte eine letzte Schöpfkelle in Helenas Krug und reichte ihr einen Topf mit Honig. Dann griff sie nach einer kleinen Kanne, um sie für Philip zu füllen. Helena schickte sich indes an, die Küche zu verlassen.
»Ihr hattet schwere Stunden?«, fragte er sie vorsichtig, als sie ihm entgegenkam.
»Nichts, das ich nicht zu tragen vermag«, kam es gleichmütig zurück. »Aber Ihr steht mir schon wieder im Weg.«
»Verzeiht. Ich übe mich noch darin, diese Unart abzulegen.«
Er hatte auf ein Lächeln gehofft, doch ihre Augen blieben ernst.
»Wenn ich Euch auf irgendeine Weise behilflich sein kann, Frau Helena … Mein Freund Said ist in der Heilkunst erfahren.«
»Ist er auch erfahren in Frauenleiden?«
War es Spott, der aus ihren Augen leuchtete? Ein gütiges Lächeln war es jedenfalls nicht.
»Soll ich ihn fragen?«
»Ich danke Euch für Euer freundliches Anerbieten, aber ich glaube kaum, dass er mir eine Hilfe wäre.«
»Vielleicht könnte er …«
»Ich danke Euch«, schnitt sie ihm das Wort ab. Kurz und knapp, als hätte sie in eine ungenießbare Frucht gebissen. Dann ließ sie ihn einfach stehen. Ohne ein Lächeln, und er fragte sich, was er wohl falsch gemacht hatte.
Er sah sie erst am Abend wieder, an der Tafel des Grafen. Ihre Augen wirkten immer noch müde, fast ein bisschen leer. Da war nichts mehr von dem Kampfgeist, den er in der Nacht auf der Stiege wahrgenommen hatte. Die Burgherrin hatte sich wie tags zuvor entschuldigen lassen. Es wunderte ihn nicht, doch zugleich war er enttäuscht. Zu gern hätte er gewusst, wie die Frau wohl aussah, deren verzweifelte Schreie ihn in der vergangenen Nacht bis ins Mark getroffen hatten.
Dafür war die junge Nonne umso lebhafter. Kaum dass der Kaplan das Tischgebet vollendet hatte, wandte sie sich an Said.
»Sagt, ist es wahr, dass Ihr Christus verehrt, wie es Herr Philip gestern behauptete?«
»So, wie er es gestern sagte«, bestätigte Said.
»Aber Ihr glaubt nicht daran, dass er Gottes Sohn ist?« Auf einmal bekam ihr Blick etwas Lauerndes. Für einen kurzen Moment überlegte Philip, ob er eingreifen und das Gespräch in eine andere Richtung lenken sollte, aber Said kam ihm zuvor.
»Es steht geschrieben, es zieme Allah nicht, sich einen Sohn zuzugesellen. Wenn er etwas beschließt, so spricht er nur ›Sei‹, und es ist.«
Ludovika schaute ihn verwirrt an. »So glaubt Ihr an die unbefleckte Empfängnis?«
Er nickte. »Miriam empfing ihren Sohn als reine, sündenfreie Jungfrau. So steht es geschrieben. Aber Allah ist nicht sein Vater.«
Ludovika holte tief Luft, doch ehe sie etwas entgegnen konnte, hatte der Graf sich schon Philip zugewandt. »Habt Ihr nicht noch ein weiteres Abenteuer, mit dem Ihr uns unterhalten könntet?« Jedem war klar, dass er keinen religiösen Disput an seiner Tafel wünschte.
Schwester Ludovika kniff die Lippen zusammen, als müsse sie eine giftige Antwort zurückhalten. Dafür stahl sich ein feines Lächeln auf Helenas Lippen, und fast hatte Philip den Eindruck, es gelte ihm.
»Wenn man so weit gereist ist wie wir, bleibt das nicht aus«, antwortete er auf die Frage des Grafen und erwiderte gleichzeitig Helenas Lächeln. Sofort senkte sie die Lider. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen. Anscheinend war sie doch nicht so kühl und selbstbeherrscht, wie er befürchtet hatte.
»Die Märchenerzähler auf den Basaren würden vor Neid erblassen, wenn sie dir lauschen dürften«, seufzte Said, als sie sich sehr viel später in ihrer Kammer zur Ruhe begaben.
»Sag nicht, du hättest dich lieber mit unserer heiligen Jungfrau über Glaubensfragen gestritten.« Philip grinste.
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