Die Sündenheilerin (German Edition)
der Nennung seines vollständigen Namens aufhellte und die Härte verschwand, die Ludovikas harsche Worte auf seinem Gesicht hinterlassen hatten.
»Wenn ich Euch irgendwie dienlich sein kann …«
»Das werdet Ihr kaum können!«, fuhr Ludovika ihm über den Mund. »Wir brauchen keinen heidnischen Zauber.«
»Du bist ungerecht«, tadelte Lena, als der Araber außer Hörweite war. »Er hat sich nicht unschicklich verhalten, im Gegenteil.«
»Er ist ein Heide.« Mit einem verächtlichen Schnauben öffnete Ludovika die Tür zu Lenas Stube. »Ein Heide, der es wagte, dich zu berühren.«
»Hätte er einfach zusehen sollen, wie ich gestürzt wäre?«
Ludovika schlug die Tür zu. Das Knallen des Holzes trieb Lena erneut Funken in die Augen.
»Muss das so laut sein?« Ungeschickt versuchte sie, die Suckenie abzulegen. »Hilfst du mir, Ludovika?«
»Wirst du mir jetzt sagen, was geschehen ist?«, fragte die junge Nonne, während sie Lenas Aufforderung nachkam.
Lena streifte das Untergewand ab. Eine handbreite Narbe zog sich unter ihrer linken Brust entlang. Seit einem Jahr hatte sie nicht mehr geglüht, war nur noch ein weißes Mal auf heller Haut gewesen, doch jetzt war sie heiß, gerötet und pochte im Gleichtakt mit Lenas Schläfen. Sie hatte es befürchtet. Leise seufzend ordnete sie ihr Unterkleid wieder und ließ sich erschöpft auf ihrer Bettstatt nieder.
Ludovika war blass geworden. »Ich dachte, Gott hat den Schmerz für alle Zeiten von dir genommen.«
Lena antwortete nicht. In ihrem Geist hörte sie wieder das Klingeln der Glöckchen, sah Martins Gesicht, das ihr liebevoll zulächelte, ehe der Sturm aus Blut und Tod über sie hereinbrach. Sie allein war davongekommen, verdankte ihr Leben einem unsauberen Schwertstreich des rotbärtigen Teufels, der ihr zwei Rippen gebrochen, aber ihr Herz verfehlt hatte. Die Angst hatte sie verstummen lassen, ihr jeden Schmerzenslaut geraubt. Ihr Kleid, noch feucht vom Blut des toten Gatten, hatte wie ein Panzer über ihr gelegen, als sein Blut sich mit ihrem gemischt hatte. In ihrer Furcht hatte sie sich tot gestellt. Doch nie würde sie die Augen des Mörders vergessen. Augen, in denen eine blutrote Flamme gelodert hatte. Damals, in ihrer Todesangst, hatte sie die Seelenflamme zum ersten Mal gesehen, das helle Leuchten, den Lebensfunken, der jedem Menschen eigen war. Der Mörder hatte keinen zweiten Blick an sie verschwendet, fernab des eigentlichen Überfalles im dichten Unterholz, in dem sie vergeblich versucht hatte, ihm zu entkommen.
Später hatte sie gelernt, die Flammen zu deuten. Das strahlende Gelb derer, die mit sich und der Welt im Reinen waren. Bei manchen, den Heißblütigen und Aufbrausenden, mischte sich bisweilen ein leichter roter Stich in den Lebensfunken. Dann gab es noch jene, deren Flamme bunte Funken sprühte. Sie waren selten, oftmals mit künstlerischen Gaben gesegnet. Und natürlich kannte sie das dünne bläuliche Glimmen der erstickten Flammen jener, die ihre Lebenskraft verloren hatten. Aber nie wieder hatte sie eine blutrote Flamme gesehen, Augen, aus denen schon die Hölle hervorleuchtete.
Plötzlich wurde sie sich wieder Ludovikas Gegenwart bewusst. »Die Gräfin sagt, sie habe keine Ahnung gehabt, was Hass sei, bis zu jenem Tag, da Martin Raitbach starb.« Sie hörte ihre eigenen Worte kaum, so wenig gehorchte ihr die Stimme.
»Die Gräfin kannte Martin?« Eine schmale Furche bildete sich zwischen Ludovikas Brauen.
»Ich weiß es nicht«, sagte Lena. Ihre Narbe glühte und schmerzte wie in den ersten Tagen, als pflegende Hände sie dem Tod entrissen und ins Leben zurückgeholt hatten. »O Ludovika, ich habe keine Kraft mehr. Die Gräfin ist wie ein Dämon, der mich aussaugt. Diese Mischung aus Bösartigkeit und Verzweiflung ist unerträglich. Sie verhindert Mitgefühl ebenso wie Hass. Sie macht mich hilflos, ohnmächtig, wehrlos. Und dann schlägt sie ihre Krallen in mein Herz wie eine tollwütige Katze.«
»Du hast bislang nie von Bösartigkeit gesprochen. Was hat sie dir angetan?«
Lena atmete tief durch. Ihre Schläfen pochten noch immer, aber das Brennen in der Brust ließ langsam nach.
»Es lässt sich nicht in Worte fassen. Frau Elise vermittelt mir mit ihrem Körper andere Botschaften als mit dem Mund. Einmal scheint ihr Körper zu lügen, dann wieder ihr Mund. Einmal schreit alles in ihr nach Hilfe, dann wieder ist sie hart wie ein Fels, der jede Freundlichkeit und jede Fürsorge zermalmt. Als säße ein böser Geist in
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