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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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sprach die Gräfin bloß?
    Elise atmete tief durch. »Martin war der Bruder meines Gatten.«
    Sein Bruder? Wie hatte Lena nur glauben können, nichts könne sie mehr erschüttern? Und warum hatte er es ihr nie gesagt?
    »Sein Halbbruder, um genau zu sein«, fuhr Elise fort. Ihre Stimme hatte sich gefestigt. »Seine Mutter war die Geliebte des alten Grafen, und er sorgte auch dafür, dass der alte Raitbach sie heiratete, nachdem sie schwanger geworden war.« Elise lachte bitter auf. »So sind die Männer. Ehre und Treue gelten ihnen nichts, sie lachen darüber. Wir Frauen sind anders.«
    Martins blaue Augen! Die Erkenntnis raubte Lena fast den Atem. Deshalb war Graf Dietmar ihr so vertraut vorgekommen. Wie hatte sie das Offensichtliche nur so lange übersehen können? Die Art, wie Dietmar sprach, wie er sie in seine Seele hatte blicken lassen. Es waren nicht nur die leuchtenden Augen. Auch der Bogen des Mundes, das Lächeln. Genau wie Martin. Ihre Gedanken rasten. Martin hatte geschwiegen, seine Herkunft verborgen. Warum? Aber nicht nur er. Auch Graf Dietmar war ihren Fragen ausgewichen, hatte behauptet, Martin sei der Sohn eines Geschäftsfreundes seines Vaters gewesen. Warum hatte er ihr nicht die Wahrheit gesagt? Um ihr Andenken an Martin zu wahren, als er merkte, dass sie es nicht wusste? Oder weil es keine Bedeutung mehr hatte? Martin war tot.
    Ihr Blick fiel auf Elise, die noch immer in sich zusammengesunken vor ihr kniete.
    »Ihr sagtet, Ihr hättet das Hassen gelernt, als Martin Raitbach starb. Warum?« Lenas Worte waren schärfer als beabsichtigt. Die Gräfin schrak zusammen. Sie suchte Lenas Blick, hilflos, verstört, voller Angst, doch sie sagte kein Wort.
    »Wann habt Ihr Martin kennengelernt? Er selbst sprach nie von Euch oder Graf Dietmar. Warum nicht?«
    »Bitte geht!«, flüsterte Elise. Ihre Hände krallten sich in den Stoff ihres Rockes, zerknüllten ihn.
    »Nein. Ich werde erst gehen, wenn Ihr mir geantwortet habt.« Noch während sie sprach, erschrak Lena vor sich selbst. Dies war keine Hilfe, dies war ein Verhör. Es ging ihr nicht mehr um das Wohl der Gräfin, sondern um Antworten. Eine Mischung aus Scham und Genugtuung erfüllte sie. Unablässig kämpften die Gefühle in ihrer Brust, bis die Härte siegte. Lange genug war sie schwach gewesen, hatte sich von Elise quälen lassen. Es war nur gerecht, wenn Elise spürte, wie sich das anfühlte.
    »Ich kann es Euch nicht sagen!« Elises Ausruf ging in einem Flüstern unter, ganz so, als fehle ihr plötzlich die Luft zum Atemholen.
    Die Luft zum Atmen! Was, wenn es wie bei Mutter Clara war?
    Lenas Gedanken flogen zurück zur ehrwürdigen Mutter, die jahrelang unter schwerer Luftnot gelitten hatte. Plötzlich ergab alles einen Sinn, doch war es so ungeheuerlich, dass sie es kaum glauben mochte.
    Was, wenn es sich bei Elise ähnlich verhielt wie bei Schwester Clara? Eine Mutterschaft, gefolgt auf eine Sünde? Die ehrwürdige Mutter Clara hatte jedoch nicht unter der Mutterschaft gelitten, sondern darunter, dass man ihr das Kind fortgenommen und sie in ein Kloster gesteckt hatte. Und darunter, dass sie sich vier Jahre später geweigert hatte, dem Vater des Kindes zu folgen, der ein ruchloses Leben führte. Schwester Clara hatte keine weiteren Einzelheiten preisgegeben, aber ihre Schuldgefühle hatten ihr seither die Luft zum Atmen geraubt.
    Die Gräfin wollte ihr Kind nicht bei sich haben. Weil es sie an ihre Sünde erinnerte? An welche Sünde? War der Graf etwa nicht der Vater? Sie hatte das Kind gesehen, es sah ihm so ähnlich, hatte seine blauen Augen, sein blondes Haar.
    Martins Augen. Martins Haar. Nein, ich muss mich irren, dachte Lena. Es kann nicht sein, das hätte er nie getan.
    »Ihr meint, ich würde Euch hassen, wenn ich die Wahrheit wüsste. Von welcher Wahrheit spracht Ihr?«, fuhr Lena Elise an. Die Gräfin sank noch weiter in sich zusammen, ließ den zerknüllten Rock los und verbarg das Gesicht abermals in den Händen.
    »Sagt es mir endlich!«, schrie Lena. »Wenn Ihr Euer Geheimnis wirklich wahren wolltet, so hättet Ihr Euch nicht in Andeutungen ergangen! Ihr wollt es doch loswerden, weil die Schuld Euch bedrückt.«
    Von Elise kam kein Wort. Da verlor Lena endgültig die Beherrschung. Mochten Worte auch vergiftete Pfeile sein, die man nie mehr zurücknehmen konnte, in diesem Moment war ihr alles gleich. Sie musste Gewissheit haben.
    »Lautet die Wahrheit, dass der kleine Rudolf nicht der Sohn Eures Gatten ist, sondern der von

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