Die Sündenheilerin (German Edition)
finden.«
»So?«
Der Graf erwiderte Philips Lächeln und lud ihn mit einer Handbewegung ein, neben ihm Platz zu nehmen. Philip zog einen der Schemel heran. Ein weiterer Wink des Grafen, und eine der Mägde brachte einen zweiten Becher. Graf Dietmar schenkte Philip selbst ein.
»Was kann ich für Euch tun?«
Philip kostete einen Schluck. Genau richtig, nicht zu sauer, nicht zu süß.
»Nichts, ich hoffte, etwas für Euch zu tun.« Er zog die Bronzescheibe hervor. »Das fand ich heute im Stall, als ich Euer Pferd bewunderte. Es lag neben seiner Vorderhand.«
Die Augen des Grafen verengten sich, doch war Philip sich nicht sicher, ob es Erkennen oder Erstaunen war.
»Darf ich es einmal sehen?« Er streckte die Hand aus.
Philip reichte ihm die Bronzescheibe.
»Ein außergewöhnliches Stück.« Der Graf begutachtete den Anhänger, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Und Ihr sagt, Ihr hättet es bei meinem Pferd gefunden?«
»So ist es. Deshalb dachte ich, Ihr hättet es vielleicht verloren.«
Ein dünnes Lächeln kräuselte Dietmars Lippen. »Das sind heidnische Zeichen, die Spirale ist ein uraltes Symbol. Kein Christenmensch würde sich damit schmücken.«
»So gehört es nicht Euch?«
Dietmar legte die Scheibe auf den Tisch. »Bedient Euch, Ihr habt gewiss Hunger nach Eurem Ausritt.«
Hunger nach Antworten, nicht nach Pasteten, dachte Philip. Doch das konnte er schlecht sagen, also griff er zu. Wollte der Graf ihm ausweichen, oder wusste er tatsächlich nichts?
»Ich habe solche Zeichen in der Tat noch nie gesehen. Aber Ihr kennt die Bedeutung?«
Dietmar schüttelte lächelnd den Kopf. »Keineswegs. Aber ich weiß, dass es in dieser Gegend noch Menschen gibt, die sich nie ganz vom Aberglauben lösen konnten. Alte Weihefeste, seltsame Bräuche, bei denen angeblich Unzucht getrieben wird.« Er lachte. »Sagt, Herr Philip, was ich Euch schon längst fragen wollte: Euer Vater stammte doch aus dieser Gegend, oder?«
»Wie kommt Ihr darauf?« Das Gespräch nahm eine Wendung, die Philip nicht behagte.
»Was treibt einen weit gereisten Mann wie Euch sonst an einen Ort wie diesen? Sagt mir nicht, es seien Eure Studien. Hier gibt es nichts als Wälder und zugige Burgen.«
»Eure Burg ist alles andere als zugig. Selten sah ich eine derart üppige Hofhaltung. Nicht einmal in Italien.«
»Ja, ich versuche, das Leben einigermaßen erträglich zu gestalten.« Dietmar trank einen Schluck Wein. »Woher, sagtet Ihr doch gleich, stammte Euer Vater?«
Philip biss in die Pastete. »Köstlich. Ihr seid zu beneiden.«
Der Graf lachte vor sich hin. Fast kam es Philip so vor, als verspotte er ihn. Wie hatte der Mann es nur geschafft, den Spieß so rasch umzudrehen?
»Um meine Mägde oder um die guten Pasteten?« Dietmar schob sich den letzten Bissen in den Mund, kaute und spülte mit dem Rest Schlehenwein nach. Dann erhob er sich. »Entschuldigt mich, Herr Philip. Ich habe noch zu tun, aber wir können unsere Unterhaltung gern später fortsetzen.« Dabei steckte er das bronzene Amulett wie absichtslos ein. Auf dem Weg zur Tür wandte er sich noch einmal um. »Ihr sprecht die hiesige Mundart, als wärt Ihr hier geboren. Vor achtundzwanzig Jahren brachen einige Ritter unter Führung von Bonifatius von Montferrat zum Kreuzzug auf. War Euer Vater einer von ihnen?«
Philips Gesicht wurde heiß, das Blut pochte ihm in den Schläfen.
»Meine Familiengeschichte scheint Euch ja sehr zu beschäftigen.«
»Neun Ritter kehrten nicht zurück, drei davon stammten aus dieser Gegend. Zwei Regensteiner und mein Bruder Otto.«
»Es tut mir leid um Euren Bruder.«
»Otto war ein Ehrenmann, im Gegensatz zu den Regensteinern. Die sind bekannt dafür, zu lügen, zu betrügen und überall ihre Bastarde zu verstreuen.«
»Das scheint ja eine bemerkenswerte Familie zu sein. Leider hatte ich noch nicht das Vergnügen, sie kennenzulernen.«
Dietmar lächelte nur und verließ die Küche.
7. Kapitel
D as Grau der vergangenen Tage lag hinter Lena. Seit sie den Entschluss gefasst hatte, Elises Geheimnis zu lüften, erschien ihr die Welt wieder heller. Morgenluft strömte in die Kammer. Lena atmete tief ein, ertappte sich dabei, wie sie eine alte Spielmannsweise summte. Zum ersten Mal freute sie sich auf ihr Zusammentreffen mit der Gräfin. Drei Tage lang war sie Elise ferngeblieben, hatte die Hölle ihrer Erinnerungen durchschritten und hinter sich gelassen. Vor ihr lag das Leben. Von draußen drang das Rauschen der Bode in ihre Stube.
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