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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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sich ihre Äste berührten.«
    »Und stehen sie noch dort?«
    »Ich denke schon. Ich war lange nicht mehr auf Gut Eversbrück.« Sie senkte den Blick. Es fiel ihr zunehmend schwer, die alten Bilder in ihrem Herzen zu verschließen. Der Ägypter sah sie noch immer an, es kam ihr fast so vor, als wolle er in ihren Gedanken lesen.
    »Sagt, Herr Philip, darf auch ich Euch eine Frage stellen?«
    Er nickte.
    »Mein Vater hatte oft Gäste aus fremden Gegenden. Viele verstand ich nur mit Mühe. Doch Ihr sprecht den hiesigen Dialekt, als wärt Ihr in der Nähe geboren. Genau wie Euer Freund. Wie kann das sein, wenn Ihr noch nie hier wart?«
    »Ihr seid schon die Zweite, die mich das heute fragt.«
    »Da seht Ihr, wie auffällig es ist.«
    Er nickte. »Das habe ich nicht bedacht. Was wollt Ihr wissen?«
    »Nichts weiter. Ich habe nur meine eigenen Schlüsse gezogen. Euer Vater stammte aus diesem Landstrich, nicht wahr?«
    Philip lachte leise. »So muss es wohl gewesen sein.«
    »Aber Ihr sprecht nicht gern von ihm. Habt Ihr Euch im Zwist von ihm losgesagt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn geliebt. Er starb vor einem Jahr. Es war sein letzter Wunsch, dass ich seine Heimat kennenlerne.«
    »Das sagtet Ihr schon. Und doch wirkt Ihr so verschlossen, als sei es eine Sünde, von Eurem Vater zu sprechen. Warum nennt Ihr niemals seinen Namen?«
    »Wozu? Glaubt Ihr, Ihr würdet ihn kennen?« Auf einmal wurde seine Stimme hart, und der Glanz in seinen Augen erstarb.
    »Wie sollte ich? Ich war nur neugierig, weil Euer Freund trotz seiner fremdländischen Herkunft ebenso sicher in meiner Muttersprache ist. Würde Euch das im umgekehrten Fall nicht verwundern?«
    Seine Züge entspannten sich. »Said und ich kennen uns seit unserer Kindheit«, entgegnete er leise. »Er war drei, ich war fünf, als uns das Schicksal zusammenführte. Betrunkene Ritter hatten seine Familie überfallen. Sogenannte Christen.« Er stieß das Wort aus wie einen Fluch. »Meinem Vater war es einerlei. Er sah nur die Hunde, die sich nicht scheuten, einer hochschwangeren Frau ein Schwert in den Leib zu rammen, ganz gleich, welchen Glauben sie hatte. Er brachte sie unter Lebensgefahr ins Haus meines Großvaters, in dem wir lebten.« Philip atmete tief durch, ehe er weitersprach. »Saids Mutter starb in jener Nacht, sein Vater wurde schwer verletzt, aber er überlebte. Meinem Großvater war es immer gleichgültig, welche Religion ein Mensch hatte. Für ihn zählte nur der Mensch, nicht sein Glaube. Und so blieben Said und sein Vater bei uns. Bis heute. Said ist mir wie ein Bruder. Als Kinder machten wir uns einen Spaß daraus, untereinander immer nur in der Sprache meines Vaters zu reden, die niemand außer uns verstand. Das ist alles.«
    »Aber er blieb seinem Glauben treu?«
    »Natürlich. Glaubt Ihr, mein Großvater hätte von ihm und seinem Vater verlangt, den Glauben der Mörder anzunehmen?«
    »Euren Glauben«, verbesserte Lena.
    »Ihr habt ja keine Ahnung, wie es in Alexandria zugeht. Der Sultan von Kairo herrscht über die Stadt. Die Christen sind in der Minderzahl. Mein Großvater Mikhail hat einen guten Ruf und ist ein angesehener Mann. Aber das ist er nur deshalb, weil er die Gegebenheiten hinnimmt. Und mir war es schon immer gleichgültig, zu welchem Gott jemand betet, sofern er ein aufrechter Mensch ist. Wenn Gott wirklich barmherzig ist, dann misst er die Menschen an ihren Taten und nicht an ihrem Bekenntnis.«
    Lena starrte Philip mit großen Augen an. Nie zuvor hatte sie jemanden derart sprechen hören. Seine Worte waren gottlos und doch von einer eigenartigen Wahrheit. Sie dachte an ihren Vater. Was hätte er wohl gesagt? Hätte er Philip zugestimmt oder seine Worte widerlegt? Sie wusste es nicht.
    »Habe ich Euch erschreckt?« Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. »Vermutlich habe ich wieder einmal die falschen Worte gewählt.«
    »Nein, das habt Ihr nicht. Ich … ich weiß nur nicht so recht …«
    »Ob Schwester Ludovika mich dafür nicht in die Hölle verdammen würde?« Da war es wieder, das bunte Blitzen in seinen Augen.
    »Was Schwester Ludovika sagt, ist nicht von Bedeutung. Ihr seid ein seltsamer Mensch, Herr Philip. Ich weiß nicht, was ich von Euch zu halten habe.«
    »So wenig, wie ich weiß, was ich von Euch denken soll, Frau Helena.«
    »Das wisst Ihr nicht?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ihr seid ein Rätsel. Ihr lebt in einem Kloster, seid als Heilkundige bekannt, doch Ihr seid keine Schwester. Ihr tragt den

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