Die Sündenheilerin (German Edition)
in Elises Richtung. Nichts, kein verdächtiger Hauch.
»Bringt Euch das aus der Fassung, Frau Helena? Erschüttert Euch der Gedanke an einen gräflichen Fehltritt?« Aus dem Kichern wurde ein albernes Gackern.
»Ich … bitte erzählt doch weiter, Frau Elise.«
»Wusstet Ihr, dass alle Männer aus dem Blut derer von Birkenfeld strahlend blaue Augen haben? Augen wie Dietmar. Augen wie Martin. Wunderschöne Augen.« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Obwohl, dieser Ägypter hat auch schöne Augen. Wie dunkler Bernstein, findet Ihr nicht?« Wieder dieses Kichern.
Lena schluckte. »Ihr wolltet von Martin erzählen.«
»Ach ja, von Martin.« Elises sehnsuchtsvolles Seufzen versetzte Lena einen Stich. Was hatte Martin bloß an ihr gefunden? Gewiss, sie war sehr hübsch, aber war sie auch hübsch genug, um ihr unangenehmes Wesen zu verdecken?
»Wusstet Ihr, dass sich auch Männer auf die Kunst von Huren verstehen, wenn der Preis nur hoch genug ist?« Sie gluckste vor Belustigung.
»Was wollt Ihr damit sagen, Frau Elise?«
»Nun, mein Gatte hat ihn gekauft, damit er sich als Zuchthengst verdingt.«
»Das ist nicht wahr!« Lena sprang auf. Niemals hätte Martin sich derartig herabwürdigen lassen. Eine Liebelei, eine kurze, heiße Leidenschaft, ja, das mochte sein. Aber niemals hätte er sich kaufen lassen!
Elise lachte. »Nun beruhigt Euch wieder, Frau Helena. Es ist wahr. Die reichen Eisenerzvorkommen haben ihn gelockt.«
»Das glaube ich Euch nicht!«
»Ich habe Euch gewarnt. Ich wusste, dass Ihr der Wahrheit nicht gewachsen seid.«
Heißes Blut pulste durch Lenas Schläfen, es pochte und hämmerte. Nein, ich bin allem gewachsen, jeder dieser Bosheiten, bestärkte sie sich im Stillen.
Sie atmete tief durch, dann ließ sie sich wieder neben der Gräfin nieder.
»Gut, dann erzählt mir Eure Geschichte. Martin hat sich also kaufen lassen.« Langsam ließ das Pochen in ihrem Schädel nach. Du wirst mich nie mehr verletzen, Elise, nie mehr, schwor sie sich. Und wenn, dann werde ich es dir nicht zeigen.
»Vielleicht tröstet es Euch, dass er betrunken war, Frau Helena.«
Lena vergrub die Finger im Stoff ihrer Suckenie, zerknüllte den Stoff, als ihre Fäuste sich ballten.
Bleib ruhig. Lass sie. Sie ist krank. Lass sie reden, beschwor sie sich.
»Betrunken und völlig ahnungslos.« Elise kicherte. Es klang nicht bösartig, sondern nur töricht und unreif.
»Ich glaube, Martin hatte gar keine Ahnung, wer sein leiblicher Vater war«, fuhr Elise fort. Ihre Stimme hatte sich gefestigt, wieder diesen seltsam unbeteiligten Plauderton angenommen, so als spräche sie nicht von sich selbst.
»Erst als Dietmar sich ihm als Halbbruder offenbarte und ihm versprach, ihm ein angemessenes Geschenk zu seiner Hochzeit zu machen. Es muss kurz nach Eurer Verlobung gewesen sein.«
»Wenn es so war, warum wartete Euer Gatte so lange? Warum trat er nicht schon viel früher auf Martin zu?«
Elise senkte den Blick. »Möglicherweise versöhnt es Euch mit Martin, dass er ein Ehrenmann war. Hätte er geahnt, was Dietmar plante, hätte er sich von Burg Birkenfeld ferngehalten. Doch so war er völlig arglos.«
Lena schwieg. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie brachte kein Wort hervor. Wenigstens gelang es ihr, eine gleichmütige Miene aufzusetzen.
»Es war ein geschickter Zug von Dietmar«, fuhr Elise fort. »Sich dem jüngeren Bastardbruder zu erkennen zu geben, ihn auf seine Burg einzuladen und ihm einen Anteil an den Eisenerzminen als Hochzeitsgeschenk zu versprechen. Ich saß zwischen ihnen, als Dietmar Martin immer wieder Wein nachschenkte. Fast tat Martin mir leid. Er hatte so etwas jungenhaft Unschuldiges, etwas, das Dietmar schon seit Jahren fehlte. Dieser Blick, der an nichts Arges glauben mag.«
Elise senkte die Augenlider und atmete tief durch. »Irgendwann hatte der Wein seinen Zweck erfüllt. Dietmar selbst drängte Martin in mein Bett. Ich wusste, worum es ging, dennoch hatte ich Angst. In all den Jahren unserer Ehe war ich Dietmar treu geblieben, noch immer eine Jungfrau, auch wenn es niemand ahnte. Nun, Martin war trotz seiner Trunkenheit ein zärtlicher Liebhaber. Zu meiner eigenen Verwunderung verlor ich in seiner Gegenwart sehr bald alle Scheu. Und zugleich lernte ich ein Begehren kennen, das ich bis dahin niemals erfahren hatte.« Elise seufzte. »Ich weiß nicht, was mit uns geschah, aber von jenem Augenblick an waren wir einander verfallen, und Martin ging es längst nicht mehr um die
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