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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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den Schlund, der ins Innere des Berges führt. So finster, dass er selbst das Licht der Fackel verschluckte. Da verließ mich der Mut, und ich kehrte auf die Burg zurück.«
    »Sagt nicht, Ihr wärt allein gewesen?«
    »Doch, das war ich. Früher bin ich oft allein ausgeritten.«
    Lena zog die Augenbrauen hoch. Das widersprach aller Schicklichkeit. Zudem war es gefährlich.
    »Jetzt zieht Ihr ein Gesicht wie Herr Ewald.« Elise lachte. Auf einmal wirkte sie viel jünger, ganz so, als sei alle Schwere von ihr genommen. Und Lena fragte sich, ob sie diese Elise wohl gemocht hätte, das lebenslustige Mädchen, das sich nicht scheute, allein durch die Wälder zu reiten, bis in den verbotensten Winkel, den man in dieser Gegend kannte.
    »Ja, Herr Ewald mochte es gar nicht, wenn ich meinen Kopf durchsetzte. Hatte er doch gehofft, ich sei die Richtige, um meinem Gatten Zügel anzulegen.« Das Feuer in Elises Augen strahlte jetzt so hell, dass Lena sich gar nicht mehr anstrengen musste, um es zu erkennen. Wie konnte eine Frau zwei so völlig verschiedene Gesichter haben?
    »Warum solltet Ihr ihn zügeln?«
    »Er war wild und ungestüm und keiner Tändelei abgeneigt. Jedenfalls vor seinem Unfall.« Elises Blick schweifte in die Ferne. »Das geschah schon vor unserer Eheschließung. Er war immer ein kühner Reiter gewesen, er liebte Turniere, vor allem aber hoffte er, durch seine Erfolge die uneingeschränkte Liebe seines Vaters zu erringen.«
    »Doch die galt seinem älteren Bruder Otto, nicht wahr?« Lenas Gedanken kehrten zurück zu jenem Abend, da Dietmar ihr seine Seele geöffnet hatte.
    »Er hat Euch davon erzählt?«
    Lena nickte. Noch immer wunderte sie sich über die plötzliche Redseligkeit der Gräfin. Unwillkürlich betrachtete sie deren Hände, doch die lagen völlig ruhig im Schoß.
    »Ja, so war es«, fuhr Elise fort. »Obwohl Otto seit Jahren tot war, nahm er das Herz des alten Grafen so vollständig ein, dass niemand sonst Platz darin fand. Und so wandelte sich Dietmars Bewunderung für den Bruder, die er schon als kleiner Knabe empfunden hatte, in tiefe Verbitterung. Wie sollte er gegen einen strahlenden toten Held bestehen? Da er die Liebe des Vaters ohnehin nicht gewinnen konnte, ergab er sich anderen Leidenschaften, wurde zügellos und wild. Eines Tages galoppierte er betrunken mit einer Horde Gleichgesinnter den Berg hinunter. Sein Pferd stolperte, und er stürzte in die Bode, gar nicht weit von hier entfernt. Die Strömung riss ihn mit sich fort. An den Felsen im Fluss zog er sich etliche Wunden und Knochenbrüche zu und wäre fast ertrunken. Drei Tage und drei Nächte lang rang er mit dem Tode, doch er überlebte. Noch während seiner Genesung beschloss sein Vater, dass er heiraten müsse, um die Erblinie zu erhalten. Herr Ewald kannte meine Familie und schlug mich als Braut vor. Ich war nicht abgeneigt, hatte ich Dietmar doch einige Zeit zuvor bei einem Turnier gesehen. Er war ein strahlender Ritter, der junge Mädchen zum Träumen brachte. Und seine Ausschweifungen … Nun, ich war mir sicher, dass die Ehe ihn verändern würde.« Elise lachte leise. »Ich war sehr unerfahren, vermutlich ist jede Braut so. Oder war es bei Euch anders, Frau Helena?«
    Lena dachte an ihre Mutter und den Vergleich mit dem Apfelkuchen. »Vermutlich nicht, Frau Elise. Aber wie ging es mit Euch weiter? Erfüllten sich Eure Träume?«
    »In gewisser Weise schon. Aber ein Teil blieb unerfüllt.«
    Die beiden Frauen tauschten einen Blick. Noch immer suchte Lena nach Zeichen einer Gefahr, aber sie fand nichts dergleichen. Diese Elise schien eine völlig andere Frau zu sein als jene, die ihr in den vergangenen Tagen das Leben so schwer gemacht hatte.
    »Lasst uns in den Hof hinabgehen. Hinter der Kapelle gibt es einen kleinen Blumengarten. Habt Ihr ihn schon gesehen?«
    Lena schüttelte den Kopf.
    »Dann kommt. Es lohnt sich.«
    Mit den federnden Schritten einer Tänzerin sprang Elise die Stufen des Turms hinunter. Während Lena ihr folgte, dachte sie an die Worte des Grafen. Wie der Fluss sei Elise einst gewesen. Wild und schön. Etwas von dieser Kraft lebte noch in ihr, und Lena schöpfte Hoffnung. War es die Tatsache, dass Elise sich ihrer größten Sünde gestellt hatte?
    Der Blumengarten lag versteckt hinter einer alten Mauer nahe der Kapelle. Herr Ewald streckte den Kopf aus dem kleinen Heiligtum und lächelte, als er Elise so lebendig sah. Ob er wohl an das ungestüme Mädchen dachte, das sie einst gewesen war?
    Lena hatte

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