Die Sündenheilerin (German Edition)
sich heraus, dass der Mann, der deinem Vater so ähnlich sieht, ein Verbrecher ist.«
»Ob er ein Verbrecher ist, kann ich noch nicht sagen. Ich glaube es erst, wenn ich untrügliche Beweise habe. Das ist der Grund, warum ich mich immer wieder mit Thea treffe, auch wenn es besser wäre, mich von ihr fernzuhalten.«
Der starre Ring um seine Brust hatte sich gelockert. All das, was er seit Tagen still mit sich herumtrug, drängte nach draußen. An diesem Abend erfuhr Said alles, was Philip gesehen und erlebt hatte, selbst die peinlichen Einzelheiten jener Macht, die Thea über seinen Körper gewonnen hatte.
Said hörte stumm zu. Er sagte erst etwas, als Philip geendet hatte. »Du willst es nicht wahrhaben, weil er deinem Vater so ähnlich sieht. Aber es spricht vieles dafür, dass der Räuber die Wahrheit sagte. Und ich kenne sogar einen Grund für den Überfall auf den Hochzeitszug.«
»Du kennst einen Grund?« Mit allem hätte Philip gerechnet, nur nicht damit, dass sein Freund ihm Fragen beantworten konnte, die ihn am meisten quälten.
Said nickte. »Während du dich regelmäßig mit deiner Räuberbraut vergnügtest, erkundete ich die Burg. Ich lauschte sogar an der Tür der Gräfin, wenn die Heilerin bei ihr war, aber ich konnte kaum etwas verstehen. Bis mir gestern ein Zufall zu Hilfe kam. Sie stand mit Frau Helena am Fenster, und von dort drang ihre Stimme zu unserem Fenster herauf. Ich hörte, wie sie vorschlug, den Blumengarten aufzusuchen. Kennst du den Blumengarten?«
Philip schüttelte den Kopf. Warum kam Said nicht endlich zum Wesentlichen?
»Er liegt unmittelbar hinter der Kapelle, von drei Mauern umgeben«, fuhr Said fort. »Außer der Gräfin ist dort selten jemand anzutreffen. Ich war oft dort, habe sogar meine Gebete ungestört unter freiem Himmel verrichtet. Der Garten ist von dichten Hecken umgeben, und so kam ich der Gräfin zuvor und versteckte mich an geeigneter Stelle.« Said grinste verschmitzt. »Es lohnte sich. Du glaubst nicht, was ich erfuhr. Der tote Bräutigam war Dietmars jüngerer Bastardbruder. Und die Regensteiner spielen auch eine Rolle.«
»Die Regensteiner!«, zischte Philip und ballte unwillkürlich die Fäuste. Dass der Graf ihn für einen Regensteiner Bastard gehalten hatte, war die schlimmste Unterstellung gewesen. Er selbst war niemals einem Mann aus dieser Sippe begegnet, aber er wusste, was sie seinem Vater angetan hatten.
»Soll ich es dir erzählen, oder willst du dich wieder über alte Geschichten ereifern?«
»Nein.« Philips Fäuste lösten sich. »Erzähl.«
Und so erfuhr er aus Saids Mund die Geschichte von Elises Kind und den Umständen seiner Zeugung.
»Damit ergibt alles einen Sinn«, schloss Said seine Erzählung. »Dietmar kann keine Nachkommen zeugen. Er versprach seinem Bastardbruder alles Mögliche, um ihn dann am Tag seiner Hochzeit ermorden zu lassen. Er hat einen Sohn, der ihm sogar ähnlich sieht, aber sämtliche Mitwisser sind tot, und es gibt auch niemanden mehr, der auf die Anteile an den Eisenerzminen bestehen könnte.«
»Nur Frau Helena«, sagte Philip leise. »Sie könnte Martins Erbe beanspruchen, und außerdem kennt sie inzwischen das Geheimnis des Grafensohnes.« Ein kalter Schauer rieselte ihm den Rücken hinunter. Die Heilerin war in größerer Gefahr, als er geglaubt hatte.
Und sie war völlig arglos.
»Was gedenkst du zu tun?«, fragte Said.
»Was jeder anständige Mann täte. Ich werde sie warnen.« Philip stand auf und wollte zur Tür, doch Said hielt ihn am Arm fest.
»Um diese Stunde solltest du sie nicht mehr stören. Warte bis morgen, sonst könnten deine Absichten einen wenig ehrbaren Eindruck erwecken.«
Unwillig schüttelte Philip Saids Hand ab. »Sie wird es verstehen.«
»Sie wird dir nicht glauben«, widersprach der Araber. »Oder bist du bereit, ihr zu erzählen, wer du wirklich bist?«
Philip hielt in der Bewegung inne. »Meine Herkunft spielt keine Rolle.«
»Doch«, beharrte Said. »Ist der Verdacht, du seist ein Regensteiner, schon ausgeräumt? Du hast doch erlebt, wie achtungsvoll Frau Helena dem Grafen entgegentritt. Wenn du willst, dass sie dir vertraut, musst du dich ihr offenbaren.«
»Das kommt nicht infrage.«
»Sie wird dir nicht glauben, wenn du dich in Geheimnisse hüllst. Erst recht nicht, wenn du den Hausherrn in ein übles Licht rückst.«
»Dann wird sie mir auch nicht glauben, dass ich Ottos Sohn bin.«
»Zeig ihr deines Vaters Siegelring mit dem Familienwappen.«
Philip lachte bitter
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