Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
hatten wirklich den Weihnachtsmann gesehen! Ich erinnere mich noch, dass ich unbeschreiblich aufgeregt war, als wir das Haus unserer Nachbarn an diesem Abend wieder verließen. Das Erlebnis machte diese ohnehin so besondere Zeit des Jahres für mich noch magischer.
Es war genau dieses Erlebnis, das mir sofort wieder einfiel, als ich gebeten wurde, eine Geschichte für den ersten Band der Anthologie Festive Fear von Tasmaniac zu schreiben. Während ich intensiver über die Handlung nachgrübelte und genau wusste, dass es nicht reichte, lediglich über ein Kind zu schreiben, das glaubt, den Weihnachtsmann gesehen zu haben, und dass es eine düstere Geschichte sein musste – schließlich war sie ja für eine Horror-Sammlung bestimmt –, kamen mir die heißen australischen Sommer in den Sinn. Ich dachte an die Verwüstungen, die die schrecklichen Buschbrände anrichten können, und die Idee zu Weihnachtliches Leuchten war geboren.
Noch eine kleine, etwas unheimliche Randbemerkung: Kurz nachdem ich die Rohfassung von Weihnachtliches Leuchten fertiggestellt hatte, wurde Victoria von den verheerendsten Buschbränden aller Zeiten heimgesucht, die 170 Todesopfer forderten und mehrere Kleinstädte auf dem Land sowie über 2000 Häuser zerstörten. Ich habe daraufhin in Erwägung gezogen, die Geschichte nicht für die Anthologie einzureichen. Niemand sollte den Eindruck bekommen, dass ich die Tragödie für meine Zwecke ausnutze – auch wenn ich die Geschichte geschrieben hatte, bevor die Buschbrände ausbrachen. Ich habe mit Steve Clark darüber gesprochen, dem Chef von Tasmaniac Publications. Wir waren uns letzten Endes darüber einig, dass die Story dadurch keinen faden Beigeschmack bekam, sondern – wenn überhaupt – an Relevanz gewann und noch größere Resonanz hervorrufen würde. Aber sie zeigt noch etwas ganz deutlich: Das wahre Leben kann oft viel grausamer sein als jede ausgedachte Geschichte.
THE ARGUS, DIENSTAG, 13. SEPTEMBER 1892
Mad Fred – Teil 1
(Mad Fred)
FREDERICK DEEMING: EIN MANN MIT VIELEN GESICHTERN
GESCHICHTEN VON DER KAISER WILHELM
MR. DREWN PLANT DAS VERBRECHEN DES JAHRHUNDERTS
Als Frederick Bailey Deeming vor knapp vier Monaten den Tod durch Erhängen fand, stieß die Welt in dem Wissen, dass der 38-jährige Engländer nie wieder jemanden töten würde, einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus. Doch angesichts der letzten beiden Morde an zwei Prostituierten im Nordosten von Melbourne und der diversen Geistersichtungen in einem Haus in Windsor muss die Frage erlaubt sein: Ist Mad Fred, wie ihn die Öffentlichkeit getauft hat, wirklich von uns gegangen oder ist sein Geist zurückgekehrt und dürstet nach weiterem Blut?
Einige Stimmen behaupten, die beiden Morde in Melbourne seien das Werk eines Täters, der die Verbrechen von Jack the Ripper nachahmt. Schließlich wurde die erste Leiche am Morgen des 31. August gefunden, die zweite am 8. dieses Monats – das sind exakt die gleichen Daten wie bei zwei Ripper-Morden. Wenn sie aber tatsächlich das Werk eines grausamen, blutrünstigen Trittbrettfahrers sind, warum hat er dann seine Serie mit Jacks drittem Opfer begonnen? Warum in Melbourne? Und warum vier Jahre nach den Morden im Londoner East End?
Und wie sind die unheimlichen Sichtungen in jenem kleinen Backsteinhaus in der Andrew Street zu erklären? Nachbarn behaupten, sie hätten seltsame Geräusche gehört und unerklärliche Dinge gesehen, obwohl das Haus unbewohnt ist, seit Deeming es im vergangenen Jahr am Weihnachtsabend verlassen hat – einen Tag, nachdem er seine Frau Emily getötet und ihre Leiche unter der Kaminplatte in einem der Schlafzimmer vergraben hat.
In dieser dreiteiligen Reportage möchte The Argus das entsetzliche Verbrechen, für das Mad Fred an den Galgen wanderte, genauer untersuchen. Wir sprechen mit Menschen, die in direkter Verbindung mit den damaligen Ereignissen stehen, und bringen Ihnen so nicht nur den Mann selbst, sondern sämtliche Einzelheiten seines grausamen Verbrechens näher als je zuvor. Wir enthüllen Details, über die noch nie zuvor berichtet wurde, nicht zuletzt die verblüffenden Offenbarungen eines ehemaligen Mithäftlings von Deeming, der ihm gegenüber behauptete, Jack the Ripper zu sein. Wir gehen darüber hinaus angeblichen Geistersichtungen auf den Grund und unterhalten uns mit Augenzeugen, die behaupten, der Geist von Mad Fred suche noch immer das Haus in der Andrew Street heim. Schließlich suchen wir auch die Tatorte der
Weitere Kostenlose Bücher