Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
sämtliche Werkzeuge, die er benötigte, um die Leiche seiner Frau unter dem Haus zu vergraben. Er hegte offenbar die Hoffnung, dass man sie dort niemals finden würde – oder wenigstens erst, nachdem er Australien längst verlassen hatte.
Der Besitzer des Eisenwarenladens in der High Street, John Woods, erinnert sich an Deeming als ebenso auffälligen wie mürrischen Mann. »Als er zu mir in den Laden kam, erschien er mir wie ein sehr lauter, extravaganter Herr. Er trug eine Menge teuer aussehenden Schmuck und sprach mit ausgeprägtem englischen Akzent. Mit seinem ausladenden roten Schnurrbart stach er aus der Masse heraus wie ein Fischhändler in der Oper. Er stellte sich als Drewn vor und bestellte bei mir Zement, Sand, einen Besen, einen Spaten, eine Wanne und eine Maurerkelle. Er war freundlich, wenn auch vielleicht hin und wieder etwas schroff.
Am folgenden Tag betrat jedoch ein vollkommen anderer Mann meinen Laden. Er behauptete, die Werkzeuge und das Material seien nicht wie bestellt zu ihm nach Hause geliefert worden. Er wirkte kalt und wütend auf mich und, um ehrlich zu sein, brachte er mich ein wenig aus der Fassung. In seinem Blick lag eine seltsame Leere und ich hatte schon Angst, er würde im nächsten Moment einen schrecklichen Wutanfall bekommen, also verbarg ich meinen Stolz – ich war mir sicher, dass seine Bestellung ausgeliefert worden war – und brachte all die Waren, die er am Tag zuvor geordert hatte, persönlich zu seinem Haus nach Windsor.
Unterwegs erklärte Drewn mir, er benötige das Material für diverse Arbeiten in seinem Garten, aber als wir das Haus erreichten, sah ich, dass der Garten keinerlei Zuwendung nötig hatte. Ich machte eine Bemerkung darüber, dass der Garten für mich ganz wunderbar aussehe. Drewn wirkte daraufhin seltsam nervös und erklärte mir in eingeschnapptem Tonfall, es sei nicht der Garten, der einige Ausbesserungen nötig habe, sondern einer der Heizkessel aus Kupfer. Dieser schien mir zwar auch vollkommen in Ordnung zu sein, aber dieses Mal sagte ich nichts. Der Mann war ganz offensichtlich bereits verärgert genug und ich wollte ihn nicht noch mehr reizen. Als ich sämtliche Werkzeuge und das restliche Material bei ihm abgeladen hatte, verließ ich daher sein Haus. Ich fühlte mich in Gegenwart des Mannes ohnehin unwohl und durch sein seltsames Verhalten bezüglich der bestellten Waren und deren Bestimmung wuchs mein Unbehagen nur noch mehr.
Als die Polizei Monate später zu mir kam, um mir einige Fragen über Drewn zu stellen, und ich von der abscheulichen Art und Weise erfuhr, mit der er sich seiner Frau entledigt hatte, wurde mir ganz übel. Der Gedanke daran, dass es meine Materialien und meine Werkzeuge waren, mit deren Hilfe er die Leiche seiner Frau unter dem Kamin verscharrte …« Mr. Woods, ein schlanker Mann mittleren Alters mit tiefschwarzem Haar und Bart, erschaudert merklich hinter seiner Ladentheke. Auch wenn er natürlich niemals hätte erahnen können, für welch diabolische Zwecke Fred Deeming den Zement, die Kelle und die anderen Dinge benutzen würde, lastet das Wissen, dass er derjenige gewesen ist, der Deeming das Material verkaufte, ganz offensichtlich unvermindert schwer auf seinen Schultern.
Mr. Woods ist jedoch nicht der einzige Mensch, der sich schuldig fühlt. Auch wenn er, ebenso wenig wie Mr. Woods, hätte erahnen können, was dort geschehen würde, bereut der Eigentümer des Hauses in der Andrew Street, der örtliche Metzger John Stamford, zutiefst, Deeming als Mieter aufgenommen zu haben.
»Ich habe mich von seiner respektablen Erscheinung täuschen lassen«, gesteht Mr. Stamford ein. »Da stand dieser gut gekleidete englische Herr vor mir und wollte mein Haus mieten. Woher hätte ich denn wissen können, dass er ein Schurke und kaltblütiger Mörder ist? Mein Gott, ich erfuhr ja sogar den Namen des Mannes erst später, als er mit einem kleinen Paket zu mir in den Laden kam und mir mitteilte, er werde einige Nagellöcher in der Hauswand ausbessern. Er sagte, in dem Paket befinde sich Zement! Großer Gott, wahrscheinlich war darin in Wahrheit das Messer, mit dem er auch seine Frau umgebracht hat.«
Stamfords Grundstücksverwalter, Mr. Charles Connop, gibt ebenfalls zu, er habe sich vom noblen Äußeren des Engländers täuschen lassen. »Ich habe ihn nur ein paarmal getroffen. Er schien mir ein absolut respektabler Gentleman zu sein. Er hat die Miete für das Haus in der Andrew Street für einen vollen Monat bezahlt,
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