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Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Titel: Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett McBean
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wie gebannt auf das schwebende rötliche Licht im Fenster und schüttelte kaum merklich den Kopf.
    »Ist dir nicht heiß? Ein schönes kaltes Bad wäre doch bestimmt schön, oder?«
    »Ich will den Weihnachtsmann nicht verpassen.«
    »Das wirst du nicht, Schatz. Ich komm dich holen, wenn er da ist.«
    »Ich will hierbleiben und mir das Licht ansehen«, erwiderte Luke trotzig.
    »Okay«, seufzte Doreen und rieb sich die Schläfen. »Dann bleib eben hier und schau dir das Licht an.«
    Irgendetwas Kleines knallte gegen das Fenster. Doreen schnappte nach Luft. Im Schein der Weihnachtsbeleuchtung sah sie, wie ein Käfer immer wieder gegen das Fenster flatterte.
    »Guck mal, Mum, ein Weihnachtskäfer«, sagte Luke und wandte seine Aufmerksamkeit kurzfristig von dem roten Licht ab.
    »Stimmt«, bestätigte Doreen und beobachtete, wie der Käfer noch eine Weile weiterflatterte und schließlich verschwand. Er war clever – er wusste, was auf ihn zukam. Er verschwand aus dieser Gegend, verschwand in die Sicherheit. Ganz offensichtlich hatte er einen Ort, an den er gehen konnte.
    Ganz im Gegensatz zu ihnen.
    Sie hatten keinen Ort, an den sie gehen konnten – kein Zuhause, keine Familie. Alle anderen in der Gegend waren bereits gegangen. Einige hatten unterwegs sogar bei Doreen haltgemacht und ihr gesagt, sie müsse auch verschwinden, sie müsse sich Luke schnappen und sofort aufbrechen. Weil es nicht mehr lange dauern würde, bis auch die Gegend hier in Flammen stand.
    »Kannst du irgendwo unterkommen?«, hatten die Leute sie gefragt, atemlos, mit verschwitzten Gesichtern.
    »Ja«, hatte Doreen gelogen. »Ja, ich habe jemanden, bei dem ich unterkommen kann.«
    Danach waren sie alle wieder verschwunden. Und Doreen hatte sich wieder auf die Couch gesetzt und auf den Fernseher gestarrt.
    Es war über drei Stunden her, seit das letzte Mal jemand bei ihnen vorbeigekommen war und ihr geraten hatte, sie solle verschwinden.
    »Ich glaube, er kommt näher«, verkündete Luke, der nun wieder auf das Licht starrte.
    Doreen drehte sich um und starrte mit verschwommenem Blick auf das Licht im Fenster. »Ja, ich glaube du hast recht, Schatz.«
    Im Gegensatz zu Lukes imaginärem Weihnachtsmann kam ihr Licht tatsächlich näher. Statt eines orangefarbenen Leuchtens in der Ferne konnte sie nun bereits Flammen erkennen. Und Rauch. Dicken, wirbelnden Rauch, der die klare Sommernacht in einen nebligen Weihnachtsabend in England verwandelte.
    »Ich rieche Rauch«, sagte Luke und schnupperte in der Luft.
    Es war der Geruch von verbranntem Holz, Eukalyptus und dem Ende all ihrer Schmerzen.
    Doreen legte die Arme um ihren Sohn.
    »Vielleicht ist das der Schlitten vom Weihnachtsmann«, erwiderte sie.
    »Wie bei einem alten Zug?«
    »Genau. Vielleicht schüren die Elfen das Feuer. Und deshalb kann der Weihnachtsmann auch in einer einzigen Nacht über die ganze Welt fliegen.«
    »Wow«, stieß Luke aus, der sich mit den Ellbogen auf die Armlehne der Couch stützte und das Kinn in die Handflächen vergrub. Sein Blick fixierte weiter das rote Licht. »Ich bin ganz gespannt, wie der Weihnachtsmann so ist, wenn er erst mal da ist.«
    »Wahrscheinlich sehr müde«, sagte Doreen und schloss die Augen, um sie vor dem brennenden Licht zu schützen. »Wahrscheinlich ist er sehr müde und möchte gerne etwas zu essen und zu trinken.«
    Während der Geruch des heißen, beißenden Rauches ihre Welt erfüllte, drückte Doreen ihren Sohn noch fester an sich. Gemeinsam warteten sie darauf, dass das Licht sie erreichte.
    NOTIZEN ZUR ENTSTEHUNG:
    Eines Nachts, ich war etwa acht oder neun Jahre alt, verbrachte ich mit meiner Familie den Weihnachtsabend im Haus unserer Nachbarn. Wir hatten uns alle im Wohnzimmer versammelt, die Erwachsenen unterhielten sich und die Kinder saßen auf dem Boden vor dem Weihnachtsbaum. Dann sah ich im Fenster plötzlich ein rotes Licht. Das Licht schien in der Luft zu schweben und als ich es den anderen Kindern zeigte, wurden wir alle ganz aufgeregt, weil wir uns sicher waren, dass es nur der Weihnachtsmann sein konnte, der mit seinem Schlitten durch die Nacht flog. Wir haben es den Erwachsenen gezeigt und anstatt uns zu erklären, dass es sich dabei nur um die Lichterkette des Baums handelte, die sich im Fenster spiegelte, spielten sie mit und räumten ein, dass es auch durchaus der Weihnachtsmann mit seinen Rentieren sein konnte. Was soll ich sagen? Das war vermutlich der bis dahin aufregendste Augenblick meines jungen Lebens – wir

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