Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
auch wenn er ganz offensichtlich nicht vorhatte, so lange dort zu bleiben. Er muss alles ganz genau geplant haben, bevor er überhaupt in Melbourne ankam. Ich habe auch seine Frau kennengelernt. Sie schien mir ein recht schüchternes Wesen zu sein – hübsch, aber sehr still. Was für ein schreckliches Ende sie doch ereilte.«
Nachdem er also das Haus gemietet und alle nötigen Werkzeuge und Materialien beschafft hatte, um seine feige Tat zu vertuschen, war Fred Deeming bereit, seine junge Ehefrau zu ermorden. Er war wahnsinnig genug die Tat zu begehen und kaltblütig genug, um sämtliche Beweise verschwinden zu lassen.
Im nächsten Teil dieses Sonderberichts werden wir einen Blick auf das Verbrechen selbst werfen, mit jenen Menschen sprechen, die das grauenhafte Grab entdeckten, und mit Nachbarn, die behaupten, seltsame Dinge im Haus in der Andrew Street gesehen und gehört zu haben. Darüber hinaus nehmen wir Sie mit ins Haus der Morde. Also seien Sie gewarnt – wir raten Ihnen, nur dann noch mehr über dieses schändlichste aller Verbrechen zu lesen, wenn Sie besonders starke Nerven besitzen.
THE ARGUS , MITTWOCH, 14. SEPTEMBER 1892
Mad Fred – Teil 2
DIE ENTHÜLLUNG EINES ENTSETZLICHEN VERBRECHENS
EINE TOUR DURCH DAS HAUS DES TODES
GEISTERSICHTUNGEN
Das Haus in der Andrew Street 57 ist ein kleines, unscheinbares Backsteingebäude. Es steht in einer schmalen, ungepflasterten Straße im bescheidenen Vorort Windsor, flankiert von weiteren bescheidenen, aber hübschen Backstein- und Holzbauten. Entlang des Gartenzauns zieren sorgfältig beschnittene Büsche den Rasen vor dem Haus. Es ist nur schwer vorstellbar, dass in seinem Inneren eine derart grauenvolle Tat begangen worden sein soll.
Doch am Weihnachtsabend des vergangenen Jahres geschah in eben diesem Backsteinhäuschen ein Verbrechen, wie es Melbourne noch nie zuvor erlebt hat. Ein Mann namens Frederick Bailey Deeming schlug seiner Frau zunächst den Schädel mit einer Axt ein und schlitzte ihr anschließend mit einem langen Messer die Kehle auf. Dann warf er ihre Leiche in ein Loch unter dem Kamin, füllte das grausame Grab mit Beton, den er selbst angerührt hatte, und bedeckte das provisorische Grab anschließend wieder mit der Kaminplatte. Die Leiche des Opfers wurde erst nach zwei Monaten entdeckt.
Es war der Besitzer des Hauses, Mr. John Stamford aus der High Street, der als Erster feststellte, dass etwas nicht stimmte.
»Ich führte an jenem Tag, es war der 3. März, eine potenzielle Mieterin durch das Haus. Als wir das erste Schlafzimmer betraten, roch es darin wirklich unangenehm. Wenig überraschend verließ die Dame das Haus umgehend. Als ich mich in dem Zimmer etwas genauer umschaute, sah ich, dass die Kaminplatte erhöht lag, so als habe sie jemand verschoben. Ich rief meinen Verwalter, Mr. Connop, an, und gemeinsam hoben wir die Kaminplatte an. Der Geruch wurde noch schlimmer. Es war ein wirklich abstoßender Gestank, der mich an totes Fleisch erinnerte. Nur dass es noch widerlicher roch. Der Gestank schien sich durch meine Nasenlöcher zu fressen und meinen Rachen zu verbrennen. Ich habe meinen Sohn geschickt, um die Polizei zu holen, und es dauerte rund zwei Stunden, bis die Beamten freigelegt hatten, was sich unter der Betonschicht verbarg.«
Mr. Stamford, ein kräftig gebauter Mann Mitte 40, schüttelt daraufhin den Kopf und sein Gesicht wird aschfahl. »Ich werde diesen Anblick und diesen Geruch nie vergessen.«
Das wird auch Constable Webster nicht, einer der Polizisten, der an jenem Märzabend dabei half, die Leiche aus ihrem Betongrab zu befreien. »Ich musste die Kleidung und die Uniform, die ich getragen hatte, anschließend vernichten, da sie den Gestank des verwesten Fleisches tief in sich aufgenommen hatten. Ich habe sie im Kamin verbrannt, aber auch dadurch ist der Gestank nicht völlig verschwunden. Ich glaube, der Geruch hat sich für immer und ewig in meiner Nase festgesetzt. Er war so entsetzlich, dass ich das Haus mehrmals verlassen musste, und mir war noch immer übel, als ich endlich wieder zu Hause war. Und was die Leiche selbst angeht – nun, sagen wir einfach, ich werde ihren fürchterlichen, mumienartigen Anblick nie vergessen. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen und bei Gott, ich hoffe inständig, dass ich nie wieder einen derartigen Anblick ertragen muss.«
»Sie hat über zwei Monate da unten gelegen«, fügt Mr. Stamford hinzu. »Zwei Monate! Haben Sie eine Vorstellung davon, wie sie ausgesehen
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