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Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Titel: Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett McBean
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Ruhe.
    Der schwarze Mann, der jeden Tag dieselbe blaue Uniform trägt, wischt weiter mit dem komischen, haarigen Ding vor und zurück, hin und her. »Wie’s mir geht, willst du wissen? Danke, ich kann mich nicht beschweren. Die Pumpe läuft noch und das Gehalt kommt pünktlich. Und ich hab so wunderbare Freunde wie dich, die mir Gesellschaft leisten.« Der schwarze Mann kichert.
    Er starrt weiter ins Nichts und summt. Er mag den schwarzen Mann. Der schwarze Mann mag sein Summen. Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten. Aber das behält er, genau wie ein paar weitere Dinge, für sich. Er verrät seine Geheimnisse nie jemandem.
    »Sag mal, summst du auch mal was anderes, Kolibri?«, fragt der schwarze Mann. »Ach, egal. Mich stört das nicht. Scheiße, nein, mich stört das überhaupt nicht. Das gibt einem Trost, nicht wahr, Kolibri? Vertrautheit. Bei mir ist es auch so: Je älter ich werde, desto wichtiger wird das Tröstliche. Seit meine Frau gestorben ist und die Kinder erwachsen sind und ihr eigenes Leben führen, ist Trost alles, was ich noch habe. Ist es nicht so, Kolibri?«
    Der Mann lächelt. Der schwarze Mann erzählt von seiner verstorbenen Frau und von seinen Kindern, die jetzt ihr eigenes Leben führen. Jeden Tag erzählt er dasselbe. Und jeden Tag unterbricht er das Wischen mit dem komischen, haarigen Ding, während er erzählt. Aber dem Mann ist das egal. Er schaut einfach weiter ins Nichts und summt.
    Und hofft, dass der böse Mann ihn hört.
    Er hat seit einer ganzen Weile keinen Piep mehr von dem bösen Mann gehört. Vielleicht bestraften sie ihn ja immer noch – aber vielleicht schlief er auch nur. Er weiß jedoch, dass ihn der böse Mann selbst im Schlaf hören kann. Und das bringt ihn zum Lächeln. Sein Geheimnis.
    »Ja, mein Leben ist gar nicht mal so übel, Kolibri. Ich hab diesen Job. Scheiße, er ist zwar nicht besonders gut bezahlt, und ein paar der Sachen, die ich so aufwischen muss, würden dich bestimmt richtig anwidern. Da gibt’s ein paar echt üble Stationen. Die Psycho-Station ist am schlimmsten. Ich würde auf mein halbes Gehalt verzichten, wenn ich dafür nur die Station hier putzen müsste. Die Station hier ist nämlich am besten. Sie ist sauber und ruhig – und hier sind ein paar Leute wie du, mit denen ich mich unterhalten kann.«
    Der Mann weiß, was als Nächstes kommt. Er hat es schon eine Million Mal gehört. Aber diesen Teil hört er gern. Er macht ihn am glücklichsten.
    »Hier ist es ganz anders als auf der Psycho-Station. Scheiße. Mir läuft jedes Mal ’n Schauer über den Rücken, wenn ich da hinmuss. Die ganzen Augen, die mich dort anstarren, und die ganzen teuflischen Hirne, die darüber nachdenken, wie sie sich mich schnappen können. Sie pissen und scheißen und spucken und verteilen ihre Wichse auf dem Boden, nur, um mich zu ärgern. Da bin ich mir ganz sicher. Nur, um mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich bin fast 70, Kolibri. Ich hab keine Zeit, mir Sorgen darüber zu machen, ob mich vielleicht irgendein Irrer mit Gott weiß was anfallen und umbringen will.«
    Der schwarze Mann hält inne, um Luft zu holen. Er ist fast 70, und er hat nicht mehr so viel Energie wie früher. Nicht mehr so viel wie damals, als der Mann hierherkam und der schwarze Mann noch jung war. Nun ja, jünger als jetzt. Aber er hat das Summen des Mannes schon immer gemocht. Hat ihm nie gesagt, er solle damit aufhören, so wie die Männer in Weiß.
    »Aber ich brauch das Geld. Das ist eine Tatsache, Kolibri.«
    Der schwarze Mann seufzt, schnappt sich das komische, haarige Ding und fängt wieder an, damit über den Boden zu wischen. »Ich komm trotzdem nicht drüber weg, dass ihr hier oben im selben Haus untergebracht seid wie die verrückten Irren da unten. Scheiße, du bist auch nicht gefährlicher als meine alte Großmutter, Gott sei ihrer Seele gnädig. Und sie war die freundlichste alte Dame der Welt.« Der schwarze Mann schüttelt den Kopf und macht ein komisches, schnalzendes Geräusch mit seinem Mund. »Mach’s gut, Kolibri. Danke fürs Zuhören.«
    Der schwarze Mann geht.
    Der Kolibri summt weiter.
    Der Mann nimmt die Dinge bewusst wahr, die um ihn herum passieren. Sie denken, er sei ein Einfaltspinsel oder so, aber sie wissen gar nichts. Er weiß, dass der große Mann in Weiß es mit einer der Frauen in Weiß treibt – den Frauen, die die komischen Hüte tragen. Und er weiß, dass der große Mann in Weiß einen Ring am Finger trägt, genauso einen Ring, wie der Mann selbst ihn

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