Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
Irrer!«
Adams zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe nur nicht, warum er bei so was lügen sollte.«
»Weil er durchgeknallt ist, darum.«
Als Stelig auf die Krankenstation gegangen war, um Warren zu befragen, hatte er den Mann seltsam ruhig vorgefunden. Er war an seinem Bett festgebunden, hatte einen Verband um die Ohren gewickelt und alle Fragen von Stelig zu dem, was geschehen war, bereitwillig beantwortet. Stelig hatte jede Frage auf ein Blatt Papier schreiben müssen, aber Warren, der tatsächlich noch immer sprechen konnte, hatte ihm nur immer wieder dasselbe gesagt – dass es nicht seine Schuld sei. Es sei jemand anders aus der Anstalt gewesen. Der habe es getan. Der habe all diese Menschen umgebracht. Und der sei auch für seine Ohren verantwortlich.
Also hatte Stelig gemeinsam mit Adams das gesamte Krankenhaus abgesucht – jedes einzelne Stockwerk, jede Station, jedes Zimmer. Er konnte nicht sagen, was er zu finden erwartet hatte – vielleicht einen Patienten, der in einem der Zimmer kauerte, die Kleidung verschmiert, während seine Hand das blutige Messer umklammerte. Das wäre immerhin etwas gewesen. Eine Antwort.
Bisher hatte er, da Warren die Verantwortung nicht übernehmen wollte, jedoch rein gar nichts in der Hand.
Dies hier war die letzte Station, die letzte Etage. Das oberste Stockwerk. Sollte er auch hier nichts finden, würde er sich noch einmal mit Warren unterhalten müssen.
Stelig entdeckte den Putzmann, Sam Goodfrey, und rief ihn zu sich. Der ältere schwarze Mann lehnte seinen Wischmopp gegen die Wand und schlurfte auf ihn zu. »Ja, Sir?«
»Sam, ist Ihnen hier heute irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Zum Beispiel, Sir?«
»Hat sich irgendeiner der Patienten merkwürdig benommen oder war vielleicht einer von ihnen eine Zeit lang verschwunden?«
Sam blickte zu Boden, leckte sich über die Lippen und sah dann wieder zu ihnen hinauf. Seine Augen erinnerten Stelig an die eines Welpen – nur dass dieser Welpe Tränensäcke von der Größe einer Reisetasche unter den Augen hatte. »Nein, Sir. Nichts Auffälliges. Warum?«
»Nun, ich schätze, Sie können es ebenso gut jetzt erfahren. Irgendwann werden Sie es ja sowieso mitbekommen. Auf Station C ist etwas ganz Furchtbares passiert.« Stelig hielt einen Moment inne, bevor er fortfuhr. »Sämtliche Patienten wurden getötet. Und drei der Schwestern.«
Der alte Mann schnappte nach Luft und legte eine faltige Hand auf seinen Mund. »Lieber Gott. Das ist ja entsetzlich. Wie ist denn das passiert?«
»Warren Spencer.«
»Hat er sie alle umgebracht?«
Stelig nickte.
»Nun, wir sind uns noch nicht ganz sicher«, sagte Adams. »Warren behauptet, es sei jemand anders gewesen. Ein anderer Patient. Wir durchsuchen gerade das Krankenhaus, um Anhaltspunkte zu finden, wer es sonst noch gewesen sein könnte.«
»Ich bin sicher, dass es Warren war«, bekräftigte Stelig. »Passen Sie trotzdem auf, vielleicht benimmt sich ja doch einer der Patienten … ungewöhnlich.«
»Das werde ich. Das werde ich ganz bestimmt, Sir.«
»Okay. Ich danke Ihnen. Und ich brauche Ihnen ja wohl nicht zu sagen, dass diese Information das Gebäude nicht verlässt. Niemand muss davon erfahren, solange es nicht absolut notwendig ist. Verstanden?«
Der alte Mann nickte. »Natürlich, Sir.«
»Gut. Bitte gehen Sie wieder an Ihre Arbeit.«
Der Mann nickte, wandte sich ab und schlurfte langsam zu seinen Putzutensilien zurück.
»Hab ich mir das nur eingebildet oder sah der alte Sack glücklich über die Nachricht aus?«
»Vielleicht, ich weiß nicht«, erwiderte Stelig und rieb sich mit seinem Daumen und Zeigefinger die Nase.
»Denken Sie, er weiß mehr, als er zugibt?«
»Machen Sie sich verdammt noch mal nicht lächerlich. Er ist ein alter Mann. Er macht hier sauber. Was kann der bitteschön schon wissen?«
Adams zuckte mit den Schultern.
»Ich hab’s Ihnen ja gesagt, das hier ist Zeitverschwendung. Die Patienten hier oben sind ungefähr so harmlos wie …«, Stelig sprach das Erste aus, was ihm in den Sinn kam, »ein Haufen niedlicher Welpen.«
»Dürfte ich Sie vielleicht daran erinnern, Sir, dass sie alle Kriminelle sind?«
»Die meisten Patienten hier sind einfach nur verrückt. Harmlos, aber verrückt.« Stelig blickte auf den untersetzten Oberarzt hinunter. »Dürfte ich Sie vielleicht daran erinnern, dass dies hier die gute Station ist, die ruhige Station? Die Insassen haben seit der Ausübung ihrer Verbrechen keinerlei Anzeichen für
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