Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
des Mannes wahr: Sie stießen regelrechte Freudenschreie aus. Trotz der Qualen, die er litt, rang sich Marty noch den Gedanken ab, dass dies wohl eine Art Triumph für sie sein musste. Es wirkte fast, als wäre das Ganze nur ein Spiel für sie.
Das Letzte, was Marty mitbekam, während immer mehr Blut aus seiner Kehle strömte, waren die Schlachtrufe des Mannes: »Tod dem Fernsehen! Lebt in Reinheit! Herzlich willkommen zum Spiel des Überlebens!«
Teil 2: Das Spiel
1: (im Haus von George und Francis Murly)
Es war ein ganz gewöhnlicher Freitagabend für George und Francis Murly. Sie hatten sich Popcorn gemacht – auf die altmodische Art: in der Pfanne und mit einer absolut gesundheitsgefährdenden Menge Öl. Jetzt saßen sie auf ihrem alten, zerschlissenen Sofa aus Synthetikfasern, während der große elektrische Ventilator dringend benötigte Luft auf ihre alternden Gesichter blies. Im Fernsehen lief die x-te Wiederholung von The Sound of Music.
»Ich sag dir, diese Hitze bringt mich noch um.«
»Ach, hör auf«, lachte Francis. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Du bist einfach nur ein alter Brummbär.«
»Bin ich nicht«, schnaubte George und stopfte sich eine großzügige Handvoll Popcorn in den Mund.
»Ich sag dir, was dich umbringen wird: wenn du dir zu viel Popcorn auf einmal reinschiebst. Daran erstickst du nämlich.«
George schnaubte erneut und schnappte sich die Fernbedienung. »Der verdammte Film hängt mir zum Hals raus. Den hab ich schon mindestens 50 Mal gesehen.«
»Ach, jetzt übertreib nicht«, sagte Francis kichernd und steckte sich eine weitaus bescheidenere Portion Popcorn in den Mund. »Du hast ihn genauso oft gesehen wie ich. Vielleicht vier- oder fünfmal.«
»Das reicht auch. Ich guck mal, was sonst noch läuft.«
Francis zuckte mit den Schultern und kaute. Es war ihr egal, solange es irgendetwas Anständiges zu sehen gab.
George zappte durch verschiedene Programme – Filme, Sportübertragungen, Dokumentationen –, bevor er bei Kanal sechs landete.
Auf dem Bildschirm war ein dürrer, ungepflegt wirkender Mann zu sehen. Er saß hinter einem Schreibtisch und trug ein breites Lächeln zur Schau. Er nickte jemandem zu, der sich außerhalb des Bildes befand.
»Wer zur Hölle ist das denn?«, erschrak Francis. »Der sieht ja ganz dreckig aus.«
»Sei still«, schnappte George. »Ich will das hören.«
Die Kamera schwenkte auf den ziemlich verhärmt wirkenden Bandleader Dave Morrison. Mit einem matten Winken bedeutete der seltsame Moderator seiner Band, den Song abzubrechen, und beugte sich zu seinem Mikrofon. »Hiiiiier iiiiist Sammy!«
Als die Kamera über die Bühne schwenkte und schließlich an dem Mann hängen blieb, war nur sehr verhaltener Applaus zu hören. Das leise Klatschen klang seltsam und hallte im gesamten Studio wider. Der Mann hinter dem Schreibtisch lächelte und fing ebenfalls an zu klatschen. »Danke, Dave.« Er zog das Mikrofon, das auf dem Schreibtisch stand, näher zu sich heran. »Willkommen, liebe Zuschauer, zu … ›Wer wird überleben?‹« Er fuchtelte mit seinen Armen in der Luft herum. Erneut waren vereinzeltes Klatschen und Pfiffe im Studio zu hören. Die Kamera blieb auf den Mann gerichtet.
»Mein Name ist Sam. Ich bin heute Abend Ihr Gastgeber. Ihr alter Gastgeber, Marty Laffin, ist tot. Ich habe seine Kehle mit diesem Messer durchbohrt.« Er hielt ein großes, blutverschmiertes Messer in die Höhe. »Etwa so«, fuhr er fort. Dann führte er noch einmal vor, wie er Marty erstochen hatte, verdrehte die Augen und streckte seine Zunge heraus, als er nachahmte, wie Marty ausgesehen hatte, als er gestorben war. Als er fertig war, legte er das Messer auf den Schreibtisch zurück. »Nun, ich schätze, Sie als Zuschauer möchten endlich erfahren, worum es bei dieser Show eigentlich geht. Ihr Ungläubigen!«, bellte er.
Die Mikrofone im Studio fingen die Reaktionen mehrerer Personen ein, die ebenfalls das Wort Ungläubige riefen.
»Eure Religion ist das Fernsehen! Möge euch die Verachtung unseres Herrn und Erlösers treffen!«
Wieder ertönte ein Echo aus allen Ecken des Studios.
Der Mann verschaffte sich mit einer Geste Ruhe. Er starrte direkt in die Kamera und proklamierte: »Ich bin eure einzige Hoffnung auf Erlösung, Leute! Lasst nicht zu, dass wir von Maschinen und Propaganda regiert werden! Lasst uns frei sein und in der Wahrhaftigkeit des einzigen Weges leben!«
Er schüttelte den Kopf. »Bevor wir mit der Show des heutigen Abends
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