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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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vier Augen besprechen«, sagte er glatt. »Ich denke, das wäre durchaus auch in Eurem Sinn.«
    »Vor meiner Tochter habe ich keine Geheimnisse«, sagte Bartolo, aber es klang in Gemmas Ohren, als meine er genau das Gegenteil.
    »Überlegt lieber noch einmal in aller Ruhe! Ihr werdet mir dankbar sein.«
    Bartolo schien plötzlich noch unsicherer geworden zu sein. Gemma erkannte es daran, wie er an seinem Wams herumzuzupfen begann.
    »Ich kann kurz nach nebenan gehen, Vater«, bot Gemma an, um ihm aus der Verlegenheit zu helfen. »Du rufst mich, sobald ich zurückkommen soll.«
    Der Vater wirkte plötzlich auf so seltsame Weise erleichtert, dass Gemma noch nachdenklicher wurde. Die Küche, in die sie sich schließlich zurückzog, um zu warten, war ausnahmsweise leer und ordentlich aufgeräumt, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Nebenan war die Kammer, in der die Vorräte gelagert wurden. Von der Decke hing ein mächtiger geräucherter Schinken, Lupos Lieblingsspeise, die er mit gierigen Bissen zu verschlingen pflegte.
    Selbst die wenigen Mahlzeiten, die sie miteinander teilten, waren für Gemma ein einziger Albtraum, weil ihr schon elend wurde, wenn sie dabei zusehen musste, wie er alles in sich hineinstopfte. Doch zum Glück würde das alles bald Vergangenheit und sie wieder frei sein!
    Sie setzte sich auf einen Schemel und begann mit einem Fuß zu wippen, wie sie es schon als kleines Mädchen getan hatte, wenn sie sich die Zeit vertreiben musste. Irgendwann hörte sie Schritte, dann ein schnappendes, metallisches Geräusch, das sie zunächst nicht einordnen konnte. Erst nach einer Weile wurde ihr bewusst, was es gewesen war.
    Sie rannte aus der Küche. Die Diele war leer. Aus mehr als einer Ahnung heraus begann sie an der Haustüre zu rütteln. Sie war versperrt wie bisher.
    Ihr wurde so elend, dass sie zu taumeln begann. Der Vater war gegangen – und hatte sie bei Lupo zurückgelassen!
    Wie betäubt schlich sie in die Küche zurück. Lupo musste irgendeinen entscheidenden Trumpf ausgespielt haben, von dem sie nichts wusste, anders ließ sich diese unerwartete Wendung nicht erklären. Doch es fiel ihr immer schwerer, jetzt noch logisch zu denken, mit jedem Atemzug wurde sie verzweifelter.
    Ihr Blick glitt über die Messer, die Löffel und Schüsseln, alles in Reih und Glied gestapelt, als sollte ihr aufgelöstes Inneres mit dieser peinlichen Ordnung noch mehr verhöhnt werden. Schließlich blieb er an etwas hängen, was nicht hierher gehörte.
    Neben einem Korb voller Kirschen auf der kleinen Anrichte sah sie etwas Metallisches blinken, das ganz offensichtlich nicht hierher gehörte.
    Gemma wusste, was es war, noch bevor sie es in der Hand hielt: Leos Freund!
    Der Gehilfe des Apothekers hatte einen Weg gefunden, um ihn ihr auf diese Weise zurückzulassen.
    Noch einmal die Diele zu betreten und dort womöglich Lupo unter die Augen zu kommen, wagte sie nicht. Zum Glück gab es ja noch den engen Küchenausgang, der eigentlich für die Dienerschaft vorgesehen war.
    Gemma strengte sich an, mit dem gebogenen Draht im Schloss zu hantieren und musste ihr Vorhaben immer wieder abbrechen, weil ihre Hände zu sehr zitterten. Schließlich jedoch gelang es. Sie wagte kaum weiterzuatmen. Die Türe ließ sich öffnen. Vor ihr lag die Gasse – die Freiheit!
    Gemma sog die laue Sommerluft tief in ihre Lunge und begann um ihr Leben zu laufen.

    Acht

    L angsam entstand über den mit verdünnter Tusche skiz
    zierten Umrissen schichtenweise ihr Gesicht: die hohe, gewölbte Stirn, die den weiblichen Zügen Kraft und Grazie verlieh, die dunklen, weit geschwungenen Brauen, die eine eigene Sprache zu sprechen schienen. Oval geschnittene Augen, deren Farbe sich am besten mit Waldhonig vergleichen ließ; feste Lippen, die sich beim Lachen oder Küssen sanft öffnen konnten; das energische Kinn, das einiges an Eigensinn versprach. Nur die Nase bereitete Matteo ungeahnte Schwierigkeiten, weil ihm ihre Form einfach nicht naturgetreu genug gelingen wollte. Wieder und wieder hatte er die Leinwand an dieser Stelle behutsam angefeuchtet und die Grundierung übermalt, ohne bislang das gewünschte Resultat erzielt zu haben.
    Er war so in seine Arbeit versunken, dass er das anhaltende Klopfen zunächst überhörte. Als er schließlich doch öffnen ging, unwirsch und mit einem halben Fluch auf den Lippen, weil er draußen Nevio vermutete, der in seiner Schusseligkeit wieder einmal etwas vergessen hatte, stieß er einen halblauten Schrei

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