Die Sünderin von Siena
Farbe auf seine blassen Wangen brachten. Er hatte sogar damit begonnen nachzufragen, was er da eigentlich in sich hineinstopfte, und wiederholte die Antworten fast ehrfurchtsvoll.
» Garmugia« , sagte er schwärmerisch und aus seinem Mund klang der Name dieser eher derben Suppe aus Gehacktem und Speck, die außer ihm niemanden in der Familie so recht begeisterte, beinahe wie der Anfang eines schönen Gedichts. »F agioli all' uccelletto.«
»Ich kann Bohnen nicht ausstehen«, sagte Teresa patzig, die nicht verstehen konnte, warum Mario sich so wenig aus ihren heißen Blicken machte. »Und diesen bitteren Salbei erst recht nicht!«
»Er wird nur bitter, wenn man ihn zu früh dazugibt.« Lavinias tiefer Seufzer hätte Steine zum Weinen bringen können. »Hab ich das der Köchin nicht schon tausendmal gepredigt? Aber sie schaut sich ja lieber die Augen nach ihrem Schatz aus, als mir nur ein einziges Mal richtig zuzuhören!« Mit einem feinen Leinentuch tupfte sie sich über die Stirn. »Ich kann einfach nicht mehr, versteht ihr? Meine Kräfte sind verbraucht. Der Haushalt, die große Familie, und jetzt auch noch dieser fremde Junge …«
»Lavinia!« Bartolos schier endlose Geduld schien mit einem Schlag vorbei. »Jetzt nimm dich aber zusammen!«
»Als ob ich das nicht schon die ganze Zeit täte! Ständig soll ich Rücksicht nehmen auf diesen und jenen, aber wer nimmt eigentlich Rücksicht auf mich?«
Hilfe suchend schaute sie in die Richtung ihrer Mutter, doch dieses Mal ließ Nonna Vanozza die Tochter im Stich und löffelte seelenruhig die Bohnen weiter, was Lavinia noch mehr in Rage brachte.
»Und was erst die Leute reden!« Ihre Stimme stieg schrill an. »Ihr habt ja keine Vorstellung, was ich mir alles anhören muss!«
Jetzt war Gemma an der Reihe, wieder einmal, und sie konnte sich schon ausmalen, was nun folgen würde.
»Da sagte mir doch Margherita, als ich sie auf dem Campo traf, dein Gatte Lupo lasse überall verbreiten, er habe dich verstoßen, weil du unfruchtbar bist. Kannst du dir denken, wie ich mich dabei gefühlt habe?«
Es war genug, mehr als genug. Gemma stieß den Stuhl zurück und stand auf.
»Wohin willst du?«, rief Lavinia. »Doch nicht etwa schon wieder in dieses …«
Den Rest hörte Gemma nicht mehr. Draußen angelangt, fühlte sie sich sofort besser. Die Sonne wärmte ihren Rücken, eine schöne, helle Frühlingssonne, kraftvoll bereits, aber noch ohne den glühenden Hauch des Sommers.
Sie zuckte zusammen, als dicht über ihrem Kopf etwas vorbeischoss, und musste lachen, als sie den lange vermissten Ton erkannte. Der schrille Ruf »srii, srii« erschien ihr wie die allerschönste Musik. Die Mauersegler waren zurück, ihre gefiederten Freunde, die jetzt in Kirchtürmen und Hausgiebeln ihre Nester bauen würden!
Schneller schritt sie nun aus, und selbst die Steigung vor dem Domplatz nahm sie schwungvoll. Im Hospital gab es inzwischen viele, die sie freundlich grüßten; hier schien man sich an ihren Anblick gewöhnt zu haben, wenngleich es ihr manchmal vorkam, als sei ausgerechnet Celestina weniger freundlich als zu Beginn. Sie musste eine ganze Weile nach ihr suchen, bis sie sie endlich in der Kleiderkammer fand, wo sie auf einem Hocker saß und gerade mit strenger Miene den Bestand kontrollierte.
»Motten und anderes Ungeziefer haben über den langen Winter schwer gewütet«, sagte sie. »Das meiste, was ich hier vorfinde, kann nur noch als Putzlappen dienen. Wir müssen neue Kleider in Auftrag geben, und das auf der Stelle.«
Sie blickte kurz auf, dann setzte sie ihre Sichtung fort.
»Was willst du?«, sagte sie. »Und mach schnell, denn du siehst ja, ich habe alle Hände voll zu tun.«
»Ich könnte morgen wieder in der Küche helfen«, sagte Gemma, obwohl das nicht ihr eigentliches Anliegen war. »Und übermorgen auch.«
Celestina nickte.
»Sonst noch etwas?«, fragte sie, als Gemma sich nicht von der Stelle rührte.
»Nein. Das heißt, eigentlich ja. Ich wollte Euch etwas fragen. Dieser Maler … Matteo Minucci … Ihr kennt ihn näher, madre ?«
»Wie kommst du darauf?« Der Nacken vor Gemma war auf einmal ganz steif geworden.
»Ich hab Euch beide reden hören, damals in der Küche. Es kam mir vor, als wärt Ihr sehr vertraut. Fast freundschaftlich sogar. Aber vielleicht hab ich mich ja getäuscht.«
»Wir sind Freunde, Matteo und ich. Was willst du von ihm?«
»Ich? Nichts!« Warum wurde ihr nur schon wieder glühend heiß? »Er hat mich nur gefragt, ob er mich
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