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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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packte Linas Hand und führte sie behutsam, ein Fehler, wie sich alsbald herausstellte. Wie verbrannt zuckte Lina zurück, sprang auf und lief hinaus. Zuerst wollte Gemma ihr nach, sie fragen und beruhigen, dann jedoch entschied sie sich dagegen. Irgendwann würde Lina zu reden beginnen, darauf baute sie. Sie nahm sich vor, bis dahin geduldig zu sein und die Szene von eben wie vieles andere auch wortlos zu übergehen.
    Die Kinder übten indes fleißig weiter, doch inzwischen strahlte die Sonne unbarmherzig in den Raum. Immer schwerer fiel es den schwitzigen kleinen Fingern, die Griffel zu halten.
    »Eine letzte Zeile noch«, sagte Gemma, »dann bekommt ihr frische Limonade und könnt raus zum Spielen.«
    »Ich mag schon jetzt nicht mehr.« Mauro kletterte auf ihren Schoß und lehnte seinen Kopf gegen ihre Brüste. »Und heiß ist mir auch.«
    Erschrocken legte sie ihm die Hand auf die Stirn. Die war warm, doch zum Glück nicht heiß. Kein Rückfall also, vor dem sie alle große Angst hatten.
    »Der Kopf kann einem zu rauchen beginnen, wenn man zu viel denkt«, sagte Gemma zärtlich. Das erste Mal, dass er nicht bis zum Schutz der Dunkelheit wartete, um sich an sie zu schmiegen. »Aber er kühlt auch wieder schnell ab, wenn man danach wieder genügend spielt und an der frischen Luft ist.«
    Mauro machte keine Anstalten sich zu rühren, genoss weiterhin ihre Nähe. Erst als die Türe aufging, setzte er sich kerzengerade hin.
    Kaum fünf Jahre alt und schon ein kleiner Mann, dachte Gemma voller Rührung. Dann nahm auch sie unwillkürlich Haltung an.
    »M adre ?«, sagte sie, als plötzlich Celestina im Zimmer stand. »Was führt Euch zu uns?«
    »Du scheinst ja immer genau da zu sein, wohin man seinen Fuß setzt«, erhielt sie als barsche Antwort. »Wusste nicht, dass du jetzt auch noch Waisenmutter geworden bist.«
    »Bin ich auch nicht«, sagte Gemma. »Ich wohne nur eine Zeit lang bei Mamma Lina und den Kindern. Ein paar von den Kleinen waren sehr krank …«
    »Wo ist sie?«, fiel Celestina ihr ins Wort. »Ich will sie sprechen.«
    »Ich geh sie holen.«
    Mauro hatte sich längst außerhalb des Zimmers in Sicherheit gebracht. Offenbar jagte ihm die Frau mit dem finsteren Krötengesicht Furcht ein. Gemma fand Lina in der Küche, wo sie Mia zeigte, wie man ein Messer an einem Schleifstein wetzt, ohne sich dabei zu verletzen.
    »M adre Celestina vom Hospital«, sagte sie. »Kommst du?«
    »Weshalb ist sie hier? Gibt es irgendwelche Beschwerden?« Linas Blick verriet, was sie eigentlich damit meinte. »Hat sie irgendetwas gesagt?«
    »Ich war nicht mehr bei ihm«, sagte Gemma rasch, »falls du das denkst. Messer Minucci hat mich zwar gebeten, ihm Modell zu sitzen, doch bis jetzt habe ich mich weder dafür noch dagegen entschieden.«
    Lina ging schnell hinaus, Gemma folgte ihr langsam.
    »M adre !«, rief Lina. »Ihr beehrt mein bescheidenes Haus mit Eurer …«
    »Spar dir die Förmlichkeiten! Ich bin hier, um nach dem Rechten zu sehen. Und genau das werde ich jetzt tun.« Wieder erntete Gemma einen grimmigen Blick. »Gehört sie jetzt etwa auch dazu?«
    Während Gemma sich in ihr Kämmerchen verzog, um Celestina nicht noch mehr zu erzürnen, inspizierte diese das Haus von oben bis unten. Nichts entging ihren kritischen Augen. Sie schaute in jedes Zimmer, öffnete Truhen, zog Schubladen auf und steckte ihre neugierige Nase in nahezu jeden Sack. Unklar, wonach genau sie zu suchen schien, aber dass sie offensichtlich nichts fand, an dem etwas auszusetzen gewesen wäre, machte ihre Laune nicht besser.
    Schließlich begann sie im Zimmer mit dem großen Tisch, Mamma Lina einem regelrechten Kreuzverhör zu unterziehen. Die ersten Fragen nach Alter und Geschlecht der Kinder beantwortete die Waisenmutter noch bereitwillig, als Celestina jedoch anfing, sie nach ihrem eigenen Herkunftsort und ihrer Familie zu befragen, wurde sie einsilbig.
    »Das alles steht in den Unterlagen von Santa Maria della Scala«, lautete ihre knappe Antwort. »Dort könnt Ihr es jederzeit nachlesen.«
    »Dir ist bewusst, welche Verantwortung du mit diesen jungen Leben auf dich genommen hast?« Das Krötengesicht verzog sich lauernd.
    »Ich könnte sie nicht mehr lieben, wenn ich sie geboren hätte.«
    »Aber das hast du nicht. Sie stehen lediglich unter deinem Schutz, und selbst das nur, solange wir es gutheißen. Du hast sie daher in unserem Sinn zu erziehen. Und wir von Santa Maria della Scala achten auch auf den entsprechenden Umgang.« Celestina war

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